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Kita-Streik in Dessau Kita-Streik in Dessau: Buh-Rufe und Beifall

Von Heidi Thiemann 28.05.2015, 20:34
Auch mit Trillerpfeifen und Tröten machen die Erzieherinnen bei einer Kundgebung auf ihre Forderungen aufmerksam.
Auch mit Trillerpfeifen und Tröten machen die Erzieherinnen bei einer Kundgebung auf ihre Forderungen aufmerksam. Sebastian Lizenz

Dessau - Der Frust sitzt tief - bei Erzieherinnen und bei Eltern. Seit drei Wochen kämpfen die Beschäftigten des Dessauer Eigenbetriebes Dekita innerhalb des bundesweiten Streiks für mehr Anerkennung ihres Berufes, für eine angemessene Vergütung sowie eine gute nachhaltige Bildungsarbeit in den Kitas, sagt Verdi-Vertreter Uwe Henschke, „aber die Arbeitgeber sitzen das aus. Und solange kein Termin auf dem Tisch liegt, wird weiter gestreikt“.

Für Eltern wie die Kochstedterin Katrin Michaelis ein Unding. Die Geduld sei aufgebraucht. Viele Eltern müssten unbezahlten Urlaub nehmen, die Arbeitgeber hätten kein Verständnis mehr für die Situation, Eltern bangen um ihren Job. Es gehe, so wurde den Erzieherinnen von Eltern vorgeworfen, ihnen nicht um die Kinder, sondern nur ums Geld.

„Müssen wir uns schuldig fühlen?“ Christine Friedrich ist 63, arbeitet seit rund 40 Jahren als Erzieherin und sagt ganz eindeutig „Nein“. Der Beruf, so die Hortnerin vom Hort am Kornhaus, „muss gesellschaftliche Anerkennung bekommen“, und dafür streiken sie und ihre Kolleginnen, „weil es die Arbeit wert ist“, weil es um Kinder und Bildung gehe - nicht nur ums Geld. Und diese Beweggründe reden sich Friedrich und mehrere Kolleginnen nicht nur von der Seele, sie haben auch viele Plakate dabei. „Eine Erzieherin ist Logopädin, Pädagogin, Therapeutin, Krankenschwester, Wissenschaftler, Forscher, Putzfrau, Lyriker...“ zählt eines auf, ein anderes: „Liebe Kinder, wir vermissen Euch auch.“

Thomas Lippmann, Vorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft in Sachsen-Anhalt, hofft, dass der Wind, der gestern Nachmittag über den Platz der Deutschen Einheit weht, bis nach Frankfurt/Main kommt, denn da sitzen die Vertreter der kommunalen Arbeitgeberverbände und an denen liege es, ob weitergestreikt wird oder nicht. Für den Gewerkschafter und die Erzieherinnen mit ihren Tröten und Trillerpfeifen ist klar, es kann nicht so bleiben wie es war. Es muss sich was bewegen. Es müsse endlich ein Angebot vorgelegt werden.

Eine bessere Bezahlung

Eine bessere Bezahlung für die überwiegend teilzeitbeschäftigten Frauen, Zeit für Vor- und Nachbereitungen, eine Vertretungsreserve für Urlaubs- und Krankheitsfälle, kleinere Gruppen - das Anliegen wird vom CDU-Stadtrat Eiko Adamek, der bündnisgrünen Landtagsabgeordneten Cornelia Lüddemann, Stadträtin Karin Dammann (Liberales Bürger-Forum/Die Grünen) und Heidemarie Ehlert von den Linken mitgetragen. Lüddemann, Ehlert und Dammann äußeren Respekt, stärken den Erzieherinnen den Rücken. Adamek verweist auf die erreichte Qualität des Streiks, der viele Familien an den Rand ihrer Existenz führe. „Die Seiten müssen zusammenkommen. Der Streik muss beendet werden zum Wohle aller.“

„Am Stadtrat soll es nicht liegen“, so Stadtratspräsident Lothar Ehm, „wir würden sofort gern mehr Gehalt auszahlen.“ Wenn sich die Tarifparteien geeinigt haben, würde schnell ein entsprechender Stadtratsbeschluss herbeigeführt werden. „Denn wir sind an der Zukunft und damit an den Kindern interessiert.“

Für eine sofortige Beendigung des Streiks plädieren Sozialdezernent Gerd Raschpichler und Dekita-Leiterin Doreen Rach. „Ich erwarte, dass der Streik am Montag nicht mehr stattfindet und die Tarifpartner an einem Tisch zusammenkommen“, so Raschpichler, für den eine weitere tarifliche Auseinandersetzung fehl am Platz ist. Rach mahnt, ein Verhandlungsergebnis abzuwarten. „Kommen Sie am 1. Juni in die Einrichtungen!“ Von Erzieherinnen gibt es Buh-Rufe - von Eltern Beifall.

Verbesserte Rahmenbedingungen und eine auskömmliche Finanzierung der Kinderbetreuung, das sind Forderungen, die auch die Stadtelternvertretung mitträgt und für die sie sich seit der Novellierung des Kinderförderungsgesetzes einsetzt. Dennoch erklärt der Vorstand, dass die Elternvertreter für einen Tarifstreit nicht zur Verfügung stehen und ein Ende des Streiks der Erzieherinnen fordern.

„Die Kinder wollen ihre Erzieherinnen wiederhaben“, betonen die Elternvertreter. „Besonders die Kinder und Eltern leiden zunehmend unter einem Tarifkonflikt, den sie weder zu verantworten haben, noch beeinflussen können“, erklärt der Vorsitzende Hendrik Fuchs.

Die Elternvertretung Dessau-Roßlau sieht hier das Land in der Pflicht, die Unterfinanzierung der Kommunen unverzüglich zu ändern, um Handlungsspielraum für die Tarifverhandlungen zu schaffen, insbesondere die notwendigen Verbesserungen der Rahmenbedingungen in der Kinderbetreuung zu ermöglichen.

Mit Blick auf eine mögliche weitere Verlängerung des Streiks, der dann in Dessau-Roßlau in die vierte Woche gehen würde, fordert die Stadtelternvertretung die Konfliktparteien auf, zügig zu einer Einigung zu kommen und die Erzieherinnen, in die Kitas zurückzukehren, damit wieder Normalität einziehen könne. Eine weitere Verlängerung bringe nur Nachteile, die dann die Kinder und die Eltern zu schultern hätten. (cus)

Ob am Montag weitergestreikt wird, das entscheidet sich im Laufe des Freitags, so Uwe Henschke von Verdi. Dekita hat sich auf eine mögliche Fortsetzung schon eingestellt. Die Kita „Sterntaler“ und der Hort „Akazienwäldchen“ wären ab Montag neu in der Notfallbetreuung. (mz)

Gerd Raschpichler ist für die sofortige Einstellung des Streiks.
Gerd Raschpichler ist für die sofortige Einstellung des Streiks.
Sebastian Lizenz
Die Erzieherinnen werben bei den Eltern um Unterstützung.
Die Erzieherinnen werben bei den Eltern um Unterstützung.
Sebastian Lizenz