Kirchentag in Dessau-Roßlau Kirchentag in Dessau-Roßlau: "Einwohner haben ihre Stadt positiver wahrgenommen"

Dessau-Roßlau - Eine neue Atmosphäre und Leichtigkeit - so sieht Joachim Liebig, Kirchenpräsident der Evangelischen Landeskirche Anhalt, den Kirchentag auf dem Weg in Dessau-Roßlau. 12.500 Besucher sind gezählt worden, viele haben sich über die eigene Stadt gewundert. Andere wünschen sich einige der Angebote auch in Zukunft.
Die MZ sprach mit Liebig über den Sinn dieses Kirchentages, die Befürchtungen und die Kosten. Einen Effekt sieht er in einer neuen Sicht auf Dessau und im Impuls für künftige Veranstaltungen.
Herr Liebig, nach drei voll gepackten Tagen - haben Sie sich zum Abschluss ein Glas Sekt gegönnt?
Joachim Liebig: (lacht) Am Abend saß ich tatsächlich mit Freunden aus Tschechien in der Zerbster Straße und habe zwei Glas Bier getrunken. Das erste verdampfte quasi sofort.
Es war ein schöner Abschluss eines wunderbaren Kirchentages auf dem Weg in Dessau-Roßlau. Ich bin geradezu glücklich darüber, was die Beteiligten organisatorisch geleistet haben. Und stolz darauf, dass es funktioniert hat, dass diese Stadt so belebt worden ist.
Was hat Sie beeindruckt?
Das Gefühl von Gemeinschaft und friedlichen Gesprächen. Es war eine großartige Leichtigkeit in der Stadt. Manche kamen zu mir und meinten, sie erkennen ihr Dessau nicht wieder. Das Anhalt-Mahl war sehr besonders: Die Zerbster Straße war voll, über 2.000 Gäste nahmen Platz. Es war eine Atmosphäre wie am Mittelmeer. Bei den insgesamt über 200 Veranstaltungen kamen auch zu den kleineren wie Gesprächsrunden, Vorträge und Führungen zwischen 30 und 100 Besucher.
Viele, die noch nie in Dessau waren, haben mich angesprochen und fanden die Stimmung großartig. Ich fand das ermutigend, so etwas von außen zu hören. Der Kirchentag hat viel in Bewegung gebracht.
Hatten Sie Befürchtungen, dass die Prognosen für die Besucher in Dessau-Roßlau zu hoch gegriffen waren?
Wir haben uns natürlich viele Gedanken gemacht, ob so viele Gäste kommen. Als die Kirchentage auf dem Weg vor Jahren geplant wurden, mussten wir einen Mittelwert finden - aus den Zahlen von großen Kirchentagen und den Veranstaltungen, die wir dazu regional organisiert hatten.
Wir hatten für den Kirchentag auf dem Weg aber keinerlei Erfahrungswerte. Zumal das Wetter ein entscheidender Faktor ist. Aber am Ende kamen 12.500 Besucher zu den Veranstaltungen, gerechnet hatten wir mit 5.000.
Waren es trotzdem zu viele Angebote? Bei manchen war die Zahl der Interessenten überschaubar.
Im Großen und Ganzen nicht. Man hätte sich aber auf weniger Themen konzentrieren und das vorab kommunizieren können. Mir tut es um die Anbieter leid, die sich mehr Resonanz erhofft haben.
Aber es wurde keine Veranstaltung wegen Besuchermangels abgesagt. Und: Wir mussten bei diesem kleinen Kirchentag das Maximum vorhalten. Was wäre gewesen, wenn wir noch mehr Besucher gehabt hätten und zu wenig Angebote?
„Wir hatten mit mehr Kartenverkäufen und Einnahmen gerechnet“
Der Verkauf von Tages- und Dauerkarten blieb unter den Erwartungen. War der Kirchentag kostendeckend?
Wir hatten währenddessen reagiert und die Menge an Tageskassen für einzelne Veranstaltungen erhöht. Aber ja, wir hatten mit mehr Kartenverkäufen und Einnahmen gerechnet. Und es war manchmal schwer kommunizierbar, warum diese Veranstaltung kostenfrei ist und eine andere nicht.
In Wittenberg laufen die Zahlen zusammen, am Ende dieses Jahres wird die Rechnung stehen. Und was bezahlt werden muss, das wird bezahlt. Ich denke aber, dass es beim Kirchentag auf dem Weg um etwas anderes geht: nämlich um Inhalte, darum, dass sich Menschen begegnen und miteinander ins Gespräch kommen. Es geht um Glaubensfragen, aber auch um eine friedliche Form des Miteinanders.
Das Anhalt-Mahl hat die Stadt begeistert, auch der Eröffnungsgottesdienst und viele kostenfreie Angebote unter freiem Himmel. Muss sich die Kirche insgesamt und auch bei solchen Veranstaltungen noch stärker öffnen, um Menschen zu erreichen?
Die Öffnung ist wichtig, wenn es um die Arbeit und Zukunft der Kirche geht. Aber ein Kirchentag hat auch einen Selbstanspruch zu erfüllen: Er ist kein herkömmliches Volksfest, sondern er beschäftigt sich auch mit komplexen Themen.
Das findet vielleicht keine Riesen-Öffentlichkeit, aber die Kirche muss sich mit politischen und gesellschaftlichen Themen beschäftigen und Standpunkte finden. Da finde ich es auch bemerkenswert, dass bei einer Podiumsdiskussion zur Bedeutung des Glaubens etwa 100 Menschen kommen. Das ist jenseits von gutem Essen und guten Getränken ein Wert an sich.
„Der Trick beim Anhalt-Mahl: Wir haben das initiiert, die Gastgeber aber waren die Bürger“
Was bleibt nun von diesem Kirchentag in Dessau-Roßlau? Viele wünschen sich Veranstaltungen wie das Anhalt-Mahl als regelmäßige Größe.
Wenn wir wollen, dass Menschen ins Gespräch kommen, sind solche Formate ein guter Weg. Immer dort, wo Leute zwanglos zusammen sind, wo es etwas zu essen und zu trinken gibt, sind sie bereit, miteinander zu reden. Ein Effekt des Kirchentages ist, dass auch Einheimische feststellen: Die Stadt ist doch ganz schön. Und dass die Zerbster Straße und der Marktplatz keine Sorgenkinder sein müssen.
Wir werten nun aus, welche Angebote übertragbar sind. Aber die muss dann nicht zwingend die Kirche, sondern könnte beispielsweise der Verein „Anhaltische Landschaft“ auf den Weg bringen. Bei alldem darf es nicht darum gehen, auf die Stadt oder die Kirche zu zeigen. Das war ja der Trick beim Anhalt-Mahl: Wir haben das initiiert, die Gastgeber aber waren die Bürger. Die müssen das auch künftig in die Hand nehmen. (mz)