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Kirche Neeken Kirche Neeken: Von Schönheit und Verfall

Von Thomas Altmann 21.12.2001, 19:40

Neeken/MZ. - Moos beginnt, einen grünen Teppich zu weben. Verfall versprüht seinen nasskalten Charme. In einer Nische rostet vereinsamt der Torso einer Ritterrüstung. Holzwürmer laben sich an barocken Schnitzereien und verschlingen genusslos das Edelmenü. In Wohngemeinschaft mit diesen gefräßigen Tierchen lebt friedvoll ein Marder.

Nur selten werden sie von Menschen gestört, deren Augen lachen und weinen, wenn sie die Neekener Kirche betreten. Hier fasziniert alles - Schönheit und Zerfall. Wo kann man schon zusehen, wie Glanz und Gloria einer Epoche derart vergammeln? Einst beherbergte die Feldsteinkirche eine barocke Innenausstattung. Jetzt ist die Kirche deren Gruft. Tropf oder Sterbehilfe, das scheint hier die Frage.

Viel Zeit zum Antworten bleibt nicht. Der älteste Teil der Kirche im "Dorf bei den Eichen" stammt aus dem 13. Jahrhundert. Durch Verschiebung des Konsonanten wurde aus dem "dorp tu den eken" Neeken. Die Familie von Davier vereinigte die beiden Rittergüter des Dorfes in ihrem Besitz. Im Dreißigjährigen Krieg wurde Neeken eingeäschert. Wenig später hat Vollrath von Davier das Dorf wieder aufbauen lassen.

Das Kirchenschiff wurde nach Osten erweitert. Die neueren Mauern sind längst nicht mehr gequadert. Ob die Kirche früher einen Chor und eine Apsis hatte, wird nicht erwähnt. Später erhielt sie noch einen Anbau nach Osten in Fachwerk. Da hinein wurde eine zweigeschossige Herrschaftsloge gebaut. So saß der Adel an der Stelle, welche mit Kreuz und Sonnenaufgang eigentlich symbolisch besetzt ist. Wer heute das zweite Geschoss erklimmen will, braucht eine Leiter, weil die Treppe außerhalb der Kirche abgebrochen und der Eingang zugemauert wurde.

Ebenso verschlossen ist die Gruft unterhalb der Herrschaftsloge. Auch das Gewölbe neben der Kirche wurde abgerissen. Hier soll unter anderem ein Mädchen "mit schwarzen, langen Haaren" ihre letze Ruhe gefunden haben. Woher man das wohl weiß? Die sterblichen Überreste sind auf dem Friedhof beigesetzt, der sich seit etwa 1900 außerhalb des Dorfes befindet.

Im Inneren der Kirche riecht es nach verwitterter Vergangenheit. Die gesamte Innenausstattung stammt aus der Zeit unmittelbar nach dem Dreißigjährigen Krieg. Das Gestühl, die Emporen, der achteckige Taufstein mit Schrifttafeln auf vierseitigem Fuß und die Kanzel mit gedrehten Ecksäulen, in deren Felder die Evangelisten gemalt sind. Kaum noch sichtbar sind die Wappen auf dem Patronatsstuhl, den Katharina Elisabeth von Davier 1667 gestiftet hat.

Der barocke Altaraufsatz ist mit Schnitzereien und Säulen verziert. In der Predella befindet sich eine Abendmahlsszene und im Altarblatt eine Kreuzabnahme. Der Maler ist nicht bekannt.

Aber das stammt von keiner drittklassigen Malerhand. Schon deshalb muss man besorgt fragen, ob die beiden Engel vor dem Altar die Bilder vor Feuchtigkeit bewahren können. Die Orgel ist vor etwa zwanzig Jahren nach Wörpen verkauft worden. Seitdem, so Kirchenälteste Ilse Anker, gäbe es einen Riss im Gemeindeleben.

Wäre es nach Oberkirchenrat a. D. Franke gegangen, wäre auch das Inventar längst verkauft. Die Neekener hätten sich gewehrt und stehen jetzt alleine da. Wo sind eigentlich die fehlenden Teile der Ritterrüstung aus dem Dreißigjährigen Krieg verblieben, deren Rest, ein Brustpanzer, über einem Epitaph von Assmus von Davier hängt? Wo auch die Wappen, welche die Rüstung umgaben? Ein älteres Inventar führt zwei Gemälde aus dem 16. Jahrhundert.

In der Kirche keine Spur. Oder doch? Eine Grablegung soll übermalt worden sein. Aber wo ist das Gemälde von Assmus von Davier und Frau Ursula von Zerbst mit ihren vier Söhnen vor einem Kruzifix knieend? Wo die Sanduhr aus dem 17. Jahrhundert? Das ist kein abenteuerlicher Streich, sondern Kunstraub. Ein Ritter wird wohl nicht kommen, um die Kirche wieder aufzubauen.

Am Heiligen Abend jedenfalls ist Gottesdienst in der kalten Kirche. Kerzenlicht wird dann die Traurigkeit in Romantik verwandeln.