Jugendarbeit Jugendarbeit: Ein Jugendhof der vielen Sprachen
Deetz/MZ. - Die Hämmer, die unablässig den bröckeligen Putz von der Fassade des Europa-Jugendbauernhofes in Deetz schlagen, machen alle das gleiche dumpfe Geräusch. Um so vielstimmiger sind die Gespräche der jungen Frauen und Männer, die sich hier als Baugehilfen auf Zeit betätigen. Auf dem Jugendbauernhof wird zur Zeit russisch, italienisch, arabisch, japanisch, englisch, koreanisch und französisch gesprochen. Ja, es sei schon manchmal nicht einfach und verlange Fingerspitzengefühl, Jugendliche aus so vielen Ländern mit so unterschiedlichen Charakteren unter einen Hut zu bringen, sagt Gruppenleiterin Swetlana Sokolowa aus Woronesh. Doch die 20-Jährige, die englisch und französisch studiert, hat darin Erfahrung, ist das doch bereits ihr viertes Workcamp in diesem Jahr.
Zur Zeit arbeiten 20 Studenten an der Sanierung des Jugendbauernhofes. Sie wurden vom Verein pro
International in Marburg nach Deetz vermittelt. Neben der fünf- bis sechsstündigen Arbeit täglich lernen sie ihr Gastland bei Fahrten nach Wittenberg, Leipzig und Berlin kennen. Diese Woche steht ein Besuch des Landtages in Magdeburg auf dem Programm.
"Das Haus verdankt sein Bestehen diesen prächtigen jungen Leuten", stellt Margrit Weimeister fest. Sie ist Vorsitzende des Landesverbandes der Landwirte im Nebenerwerb, der den Europa-Jugendbauernhof trägt. Neben Spenden von der Kreissparkasse, der Volksbank Anhalt-Dessau und dem Rotary-Club erhielt die Einrichtung in diesem Jahr 120 000 Mark von der Lotto-Toto GmbH. "Das reicht für die Sanierung von zwei Dächern und für die Fassade", stellt Margrit Weimeister zufrieden fest.
Den für Fördermittel erforderlichen Eigenanteil haben in diesem Jahr die 75 Teilnehmer der Internationalen Workcamps erarbeitet.
Auf diese Weise entstand in den vergangenen Jahren aus einem verfallenen Grundstück ein moderner Bauernhof mit Ställen, Unterkünften für Schulklassen, Seminarraum, Küchen, Vorratsräumen und einem Hofladen.
Die ausländischen Studenten bleiben keineswegs unter sich. Der Jugendbauernhof ist täglicher Anlaufpunkt für die Kinder aus dem Dorf, für die der Bauernhof über eine Strukturanpassungsmaßnahme eine Betreuerin beschäftigt. Sie haben hier einen Spielplatz, malen, basteln und beschäftigen sich mit ihren Katzen, die sie auf dem Jugendbauernhof in Pension gegeben haben.
Regelmäßig kommen Schulklassen zu Ferienfreizeiten oder Projektwochen. Gerade in den Ferien sind hierbei die ausländischen Studenten, darunter viele angehende Lehrer, eine große Hilfe bei der Betreuung der Schüler. "Mit den internationalen Workcamps tragen wir zum Verständnis zwischen den Kindern und Jugendlichen bei. Wir betreiben hier Prävention gegen Ausländerfeindlichkeit", betont Frau Weimeister.
Neben dem multikulturellen Aspekt will der Europa-Jugendbauernhof vor allem junge Leute mit ökologischem Landbau und mit der Natur vertraut machen. Im Projektunterricht befassen sich Schüler mit Themen wie "Vom Korn zum Brot", "Konservierung von Früchten", "Milchprodukte selbst gemacht" oder "Alternative Handarbeiten".
Nächste Woche ist eine 5. Klasse der Zerbster Sekundarschule Rephuns Garten in Deetz zu Gast. Der Haflinger, das Pony, Schafe, Ziegen, Hühner, Enten, Schweine, Kaninchen, Hund und Katzen und nicht zuletzt die auf dem Stalldach nistenden Störche vermitteln den Kindern das Bild eines traditionellen Bauernhofes, weitab "von der täglichen Reizüberflutung", wirbt Margrit Weimeister für die Einrichtung.
Deren Finanzierung ist trotz mancher Spende ein unablässiger Kampf. Mit den internationalen Workcamps, offener Kinder- und Jugendarbeit, der Vermittlung von Kontakten zwischen deutschen und ausländischen Jugendlichen und mit dem landwirtschaftlichen Projektunterricht scheint der Europa-Jugendbauernhof in kein Förderprogramm so recht zu passen. Erst vor einigen Wochen lehnte der Jugendhilfeausschuss einen Zuschuss von einigen Tausend Mark für Betriebskosten ab, da der Antrag nicht den Förderrichtlinien entspreche.