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Jubiläum in der Heidestraße Jubiläum in der Heidestraße: Familie Thieme metzt Steine

Von Toralf Grau 30.06.2004, 18:29

Dessau/MZ. - "Am 1. Juli 1964 haben wir an der Heidestraße eröffnet", erzählt Ehefrau Eva-Maria. "Neben dem Krematorium." Das Startkapital des damals 23-jährigen Handwerkers: 10 000 Mark und der Meisterbrief. "Er war der jüngste Steinmetzmeister im Land", sagt Frau Thieme noch heute sichtlich stolz.

Ehrgeizig war der Geschäftsgründer auch weiterhin: Neben dem Werkstattbetrieb drückte Kurt Thieme weiter die Schulbank. Neue Anregungen für den Beruf wollte er - und studierte Kunst und Gestaltung an Hochschulen in Halle und Berlin. "Die Kollegen", erinnert er sich, "haben manchmal mit dem Kopf geschüttelt."

Ganz egal, Thieme beendete seine Ausbildung und wurde "anerkannter Kunsthandwerker": Nach wie vor stand er in seiner Werkstatt und fertigte hauptsächlich Grabmale. Doch nicht ausschließlich: Die Qualität seiner Arbeiten sprach sich herum. Behörden und Verwaltungen gaben Thieme Aufträge: Ehrenmale sollte er bauen. Und Thieme tat es. An vielen Stellen in Dessau und der Region hat er Zeichen gesetzt und Spuren hinterlassen. Die Gedenkstätte für die Verfolgten des Nazi-Regimes auf dem Friedhof III ist eine seiner Arbeiten, ebenso wie die Dessauer Stele zum Gedenken an die 1938er Pogromnacht.

Hausbau, Umzug der Firma, viele Aufträge, dazu die Arbeit als Obermeister der Innung im Bezirk - zur Ruhe ist Thieme in den 40 Geschäftsjahren kaum gekommen. "Es war einfach immer was zu tun", sagt er. Nach der Wende expandierte der heutige Sechs-Mann-Betrieb: Neben dem Hauptsitz in der Tempelhofer Straße gibt es inzwischen zwei Filialen in Dessau und in Roßlau.

Erst ein Schlaganfall veränderte 1997 das Leben des Steinmetzmeisters. "Zuerst konnte ich nicht einmal mehr sprechen", erinnert sich der heute 62-Jährige. Doch Thieme wäre kaum er selbst, hätte er in dieser Situation aufgegeben. Mit viel Willenskraft und Anstrengung fand er den Weg zurück zu seiner Arbeit. Heute steht der Meister wieder selbst in der Werkstatt und hat auch an seinen Hobbys, dem Langstreckenschwimmen und dem Tauchen, wieder Freude.

Die Werkstatt teilt er sich unterdessen schon seit einigen Jahren mit seinem Nachfolger - seinem Sohn, der die Familientradition fortsetzt. Der 38-jährige Mario Thieme hat neben einem Meisterbrief auch den Abschluss als Restaurator im Handwerk in der Tasche. "Mehrere Standbeine sind einfach ein Vorteil für den Betrieb", kommentiert das der Vater. Und ein bisschen stolz sei er schon, wenn er auf das blicke, was in 40 Geschäftsjahren aufgebaut wurde. Für die nächste Zeit wünsche er sich, dass die Firma weiter erfolgreich bleibt. Und natürlich solle die Familientradition fortgesetzt werden. Hoffnung gibt es schon: Die 6-jährige Enkelin Anna hat erklärt, dass sie unbedingt Steinmetz werden möchte. "Warum nicht", sagt der stolze Opa. "Es gibt ja auch einige Frauen in dem Beruf."