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HWZ und die Folgen HWZ und die Folgen: Neuanfang nach dem Aus

25.10.2001, 17:19

Dessau/MZ. - Ein Zwerg ist die Firma in ihrer Branche, in der Unternehmen mit hunderten, tausenden Beschäftigten der Maßstab sind. Hier aber sitzen, eingemauert zwischen Regalen voller Aktenordner, gerade einmal acht Leute vor Rechnern und lassen auf deren Bildschirmen Zeichnungen entstehen von Mühlen, Öfen und weiteren großen Anlagen für Zementfabriken und Chemieunternehmen.

Bis jetzt allerdings hat es der Zwerg geschafft, hat Zadcon sich behauptet seit über anderthalb Jahren zwischen all den Großen. Für die, die hier arbeiten - und denen überdies das Konstruktionsbüro gemeinsam gehört - ist Zadcon die einzige Chance gewesen. In der Gegend einen Job zu finden wäre aussichtslos gewesen. "Im Westen wär''s kein Problem gewesen", sagt Reinhard Hage. Aber das wollte niemand mehr, weil man die Familie hat in Dessau und das Haus und pendeln sich einfach nicht rechnen würde. Früher, da war es etwas anderes. Es gab Auslöse und Fahrtgeld wenn Hage in Köln arbeitete. Damals war er noch bei Humboldt Wedag ZAB GmbH (HWZ) beschäftigt, dem einst großen Zementanlagenbauer, den der Konzern Deutz-Konzerns übernommen hatte.

Von HWZ war wenig übrig geblieben. Der Branche ging es nicht gut, Aufträge waren knapp, Deutz, zusätzlich belastet durch hausgemachte Probleme, musste Kapazitäten abbauen. Dessau wurde auf die rote Liste gesetzt. Ende 1999 waren die verbliebenen 168 Arbeitnehmer gekündigt.

Arbeitslos mussten sie sich dennoch nicht melden. Fast alle, 143 Mitarbeiter genau, wechselten zur mypegasus GPQ, der Zweigstelle einer Nürnberger GmbH, deren Mutterunternehmen im schwäbischen Ratingen ansässig ist. Das mypegasus-Engagement durfte als Glücksfall betrachtet werden: Spätestens seit es der Beschäftigungsgesellschaft nach der Bremer Vulkanpleite gelang, von 4 400 Werftleuten 1 100 in neue Arbeit zu vermitteln, eilt mypegasus der Ruf eines hocheffektiven Arbeitsplatzorganisators voraus.

Den konnte mypegasus in Dessau untermauern. Ende September wurde Schlussbilanz gezogen: 96 ehemalige HWZ-ler hatten eine neue Anstellung gefunden oder sich selbständig gemacht. Freilich, sagt mypegasus-Niederlassungsleiter Reiner Paulus, gab es begünstigende Faktoren: Die GSD ließ sich auf dem HWZ-Gelände nieder. Um ihre riesenhaften Türme für Windkraftanlagen bauen zu können, brauchte die Firma Personal und übernahm auf einen Schlag 35 Arbeiter.

Um die Verbliebenen kümmerte sich mypegasus. Rund 750 000 Mark aus dem Europäischen Sozialfonds standen für deren Qualifizierung zur Verfügung, um sie weiterzubilden. Das Angebot umfasste Sprachkurse wie Computerlehrgänge oder Unterricht in Buchhaltung und war im wesentlichen von den Teilnehmern frei kombinierbar. Der Jobdienstleister mypegasus suchte die entsprechenden Wissensanbieter und vermittelte die ehemaligen HWZ-ler zum jeweils passenden.

Ziel des nicht ganz unbeträchtlichen Aufwandes: Die bei HWZ Entlassenen schnellstens wieder in den ersten Arbeitsmarkt zu bringen oder sie zu befähigen, sich selbstständig zumachen. Einer, der bei mypegasus war, erzählt Paulus, habe sein Hobby - Glasmalerei - inzwischen zum Beruf gemacht. Andere haben Jobs in Chemnitz gefunden. Das Konstruktionsbüro Zadcon ist ein Sonderfall. Wer hier arbeitet, ist beides zugleich: Angestellter und Firmenteilhaber. "Wir sitzen alle in einem Boot", sagt Hage deshalb. Die Mannschaft kennt sich lange, das macht es leichter: man hat bei HWZ zusammen gearbeitet und schon davor, bei ZAB.

Vorbei allerdings die Zeiten, in denen man gemeinsam komplett Zementwerke entwarf. Dazu, wie gesagt, ist Zadcon zu klein. Dennoch hat man allemal know-how genug parat, dass selbst der ehemalige Arbeitgeber (zumindest in Gestalt des Konzerns) auf die Dessauer vertraut: gelegentlich gibt es Aufträge von den Kölnern. Ansonsten arbeitet Zadcon auf Feldern, wo man, so Hage, ihnen nicht in die Quere kommt. Gerade ist eine Sulfataufbereitung für Leverkusen in Arbeit.