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Höchster Anteil in Deutschland Höchster Anteil in Deutschland: Jeder dritte Dessau-Roßlauer ist über 65 Jahre alt

Von Thomas Steinberg 13.09.2018, 12:54
Ein Mann ist mit einem Elektrorollstuhl (E-Rolli) unterwegs.
Ein Mann ist mit einem Elektrorollstuhl (E-Rolli) unterwegs. dpa-Zentralbild

Dessau-Roßlau - Das ist nicht jeder Stadt vergönnt: Ihren Namen in das Suchfeld von Websites einzugeben und mit schöner Regelmäßigkeit Treffer zu produzieren.

Dessau-Roßlau gelingt dies auf Websites, die sich unter anderem mit Bevölkerungsstatistik befassen. Egal, ob beim Statistischen Bundesamt, beim Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung oder bei Eurostat, der EU-Statistikbehörde – Dessau-Roßlau ist nur wenige Mausklicks entfernt.

Dessau-Roßlau fällt deutlich aus dem demografischen Rahmen

Der Grund: Verglichen mit anderen Regionen fällt die Stadt aus dem demografischen Rahmen. Und zwar deutlich. Vor einigen Wochen stellte die Frankfurter Allgemeine Zeitung in ihrer Online-Ausgabe überrascht fest: „Die 19 Landkreise mit dem höchsten Anteil an Menschen über 75 liegen alle in den neuen Bundesländern. An der Spitze liegt Dessau-Roßlau. Dort ist fast einer von drei Einwohnern über 65.“

Nimmt man die offiziellen Zahlen für 2016, so sind 30,5 Prozent der rund 82.500 Einwohner 65 und älter. Das mit dem „fast einer von drei“ der FAZ ist also kaum übertrieben. Gründe dafür liefert die Zeitung nicht, was angesichts der vielen Faktoren, die bei der Bevölkerungsentwicklung eine Rolle spielen, kaum verwundert.

Einen nicht unwesentlichen nennt Manuel Slupina. Der Volkswirt arbeitet am renommierten Berlin-Institut und ist (Co)-Autor mehrerer Studien zur Bevölkerungsentwicklung, etwa einer, die 2016 unter dem Titel „Der Osten auf Wanderschaft“ erschien.

Dessau-Roßlau ist nur eines von nur drei Oberzentren, das Abwanderung hinnehmen musste

Auch hier findet Dessau-Roßlau explizit Erwähnung – als einziges Oberzentrum neben Hoyerswerda und Frankfurt/Oder, die Abwanderung hinnehmen mussten. Die jüngsten Daten stammen von 2013 und damit aus der Zeit vor dem Flüchtlingsstrom, am grundsätzlichen Befund dürfte sich wenig ändern. Denn, so Slupina im Telefonat: „Dessau-Roßlau schafft es nicht, viele Bildungswanderer anzuziehen.“

Die Zahlen geben ihm recht, wobei demografische Daten stets mit einer gewissen Vorsicht zu genießen sind. Viele Statistiken, auch offizielle, vergleichen Äpfel mit Birnen, indem sie nach Gebietskörperschaften rechnen, die indes von Bundesland zu Bundesland völlig unterschiedlich strukturiert sein können: Dessau-Roßlau wäre in Mecklenburg-Vorpommern vermutlich wie Wismar oder Neubrandenburg eine „Große kreisangehörige Stadt“.

Um solche unvermeidlichen Verzerrungen auszugleichen, hat die MZ – ohne wissenschaftlichen Anspruch zu erheben – etliche kreisfreie Städte zwischen 54000 (Baden-Baden) und 110000 (Trier) Einwohnern aus der Statistik gefiltert, die allesamt mit dem Attribut Provinz korrekt beschrieben sind. Anschließend wurden Fünf-Jahres-Altersgruppen gebildet, also zum Beispiel die 20- bis unter 25-Jährigen zusammengefasst.

Als Vergleichsbasis diente der Median aller Städte, ein statistisches Maß, das im Gegensatz zum Mittelwert statische Ausreißer weniger stark gewichtet. Ergebnis dieser Operation: Bei den unter 45-Jährigen liegt mit einer Ausnahme über alle Altersgruppen hinweg unter dem Medianwert. Bei den Älteren kehrt sich das Bild um: Hier behauptet Dessau-Roßlau fast durchgängig einen Spitzenplatz.

In Dessau-Roßlau müssen zwei Einwohner die Rente von einem Senior erwirtschaften

Noch deutlicher wird die Unwucht, setzt man die potenziell arbeitsfähige Bevölkerung (15 bis unter 65) ins Verhältnis zur Gruppe der 65-Jährigen und Älteren. Rein rechnerisch müssen nicht einmal zwei Dessauer die Rente und Versorgung von einem Senior erwirtschaften – bundesweit liegt das Verhältnis bei drei zu eins – die vermutlich insgesamt höhere Arbeitsproduktivität ist dabei noch nicht einmal in Betracht gezogen.

Dessau-Roßlau nimmt den letzten Platz  in der Altersgruppe von 20 bis 25 ein

In der Altersgruppe 20 bis 25 Jahre sind die Unterschiede besonders augenfällig - mit nicht einmal 3,2 Prozent Bevölkerungsanteil belegt Dessau-Roßlau unter den Vergleichsstädten den letzten Platz, während Trier und Bamberg auf jeweils rund zehn Prozent kommen. Diese Differenz ist leicht erklärt, schaut man auf die Größe der Hochschulen beziehungsweise Universitäten vor Ort - der Dessauer Campus ist für die Größe der Stadt schlicht und einfach zu klein.

Lediglich in einer Altersgruppe laut Slupina zwischen 2008 und 2013 Zuwanderung verbuchen: bei den Ü65-Jährigen. Durch den Zuzug von Flüchtlingen mag sind das etwas verschoben haben, grundsätzlich hat sich durch sie an den Besonderheiten der Demografie nichts geändert.

Dass nicht allein die Jungen zählen, das hat Baden-Baden erkannt. Dort ist der Anteil der Älteren höher als in manchen ostdeutschen Regionen. Den Grund nennt das „Demografieportal des Bundes und der Länder“. Die südwestdeutsche Stadt wirbt zielgerichtet um ältere Menschen: Um einkommensstarke.(mz)