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Historischer Friedhof Historischer Friedhof Dessau: Sisyphusarbeit mit Stippe am Erdmannsdorf-Portal

Von Annette Gens 10.08.2019, 12:00
Mitte August fallen die Hüllen und Gerüste am Erdmannsdorff-Portal am Historischen Friedhof. Doch es gibt dort weiteren Sanierungsbedarf.
Mitte August fallen die Hüllen und Gerüste am Erdmannsdorff-Portal am Historischen Friedhof. Doch es gibt dort weiteren Sanierungsbedarf. Sven Hertel

Dessau - Das nennt sich Produktivität des 18. Jahrhunderts: Frank Meding benötigt für seine Arbeiten keine Putzkelle. Vielmehr hat sich der Vorarbeiter der Zerbster Firma Behrend & Petzold, die momentan am denkmalgeschützten Portal des Historischen Friedhofs arbeitet, einen Reisigbesen zurechtgeschnitten, so dass dieser ein wenig an einen Pinsel erinnert.

Die Reiser werden von Draht gehalten und als Bündel immerzu in den frischen Putz gesteckt. Werden die Reiser durch den Abrieb rund, wird die Stippe nachgespitzt. Aufwendig ist dieses Stippen von Hand, Meding schafft pro Stunde etwa einen Quadratmeter. „Die Arbeit ist aber auch meditativ“, gesteht Meding. Die historische Putztechnik wird im Zeitalter der Digitalisierung nur noch sehr selten angewandt und wenn, dann an historischen Gebäuden.

Das Erdmannsdorf-Portal auf dem Historischen Friedhof hat gerade solche Stippen erhalten, die nicht nur optisch interessant, sondern auch funktional sind. Die Stippen vergrößern die Oberfläche des Kalkputzes, der aufgebracht wurde. Spannungen bei Hitze und Kälte können deshalb viel besser ausgeglichen werden.

Erdmannsdorf-Portal soll so originalgetreu wie möglich sanieren werden

Dieser enorme Vorteil gegenüber Zementputz ist aber der untergeordnete Grund, weshalb am markanten historischen und derzeit teils verhüllten Portal in der Chaponstraße gestippt wird. Die Bauherren, Stadtverwaltung und Stadtpflegebetrieb, wollten das Portal, das Anhalts bekannter Baumeister Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff (1736 - 1800) errichten ließ, so originalgetreu wie möglich sanieren.

Das Portal, das 1788/89 in Form eines antiken Triumphbogens entstand, ist Bestandteil des von der Unesco als Welterbe anerkannten Dessau-Wörlitzer Gartenreichs. Lange wurde die überfällige Sanierung aus Kostengründen hinausgeschoben. 2013 wurde das Portal samt der sich anschließenden ehemaligen Wohnung des Totengräbers (jetzt Trauerhalle) und einem Raum zur Aufbewahrung von Bahren von den Bausünden aus Vorwendezeiten befreit.

Als Dessau Mitte der 80er Jahre auf den 250. Geburtstag des Baumeisters Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff zurückschaute, wurde das Hauptportal des Historischen Friedhofs saniert. Leider mit einem sehr zementhaltigen Putz, was dem Denkmal schadete. Mit den 2013 zur Verfügung stehenden 150.000 Euro wurde das Dach erneuert, der Putz abgeschlagen, die Holzkonstruktion freigelegt die Dächer gedeckt und alte Belüftungsöffnungen hergestellt.

„Wir haben uns aber auch bei der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz Rat geholt“

Sechs Jahre später erhält das Ensemble einen neuen Putz nach historischem Vorbild. Dass Erdmannsdorff damals Ziegelmehl in den Kalkputz mischte und diesen Stippen ließ, konnte man an wenigen verbauten Stellen des Portals noch erkennen. „Wir haben uns aber auch bei der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz Rat geholt“, erklärt Architekt Heinfried Stuve, der nicht zum ersten Mal in Dessau die Sanierung historischer Bauten begleitet. Am Weißen Haus in Wörlitz - ebenfalls ein Gebäude mit der Handschrift des anhaltischen Baumeisters - ist diese Technik im Dachgeschoss erhalten geblieben.

Mitte August werden die Bauarbeiten am Dessauer Portal - rund 180.000 Euro wert - beendet, es fallen die Hüllen und legen unter anderem zwei Nischen frei, die vorerst aus Kostengründen frei bleiben werden. Die Skulpturen Hypnos (Schlaf) und Thanatos (Tod), die sich am Triumphbogen befanden sind in keinem guten Zustand und deshalb vorerst eingelagert - bis zum nächsten Bauabschnitt. (mz)