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Hinter der Bauhaus-Fassade Hinter der Bauhaus-Fassade in Dessau: Dauerausstellung erzählt Geschichten der Baumaterialien

Von Danny Gitter 03.10.2019, 11:59
Ein Sammelsurium aus Gegenständen und Materialien verschiedener Bauhausgebäude ist zu einer künstlerischen Komposition verschmolzen.
Ein Sammelsurium aus Gegenständen und Materialien verschiedener Bauhausgebäude ist zu einer künstlerischen Komposition verschmolzen. Thomas Ruttke

Dessau-Roßlau - Die Bauhaustouristen aus aller Welt staunen immer wieder über diese Ikone der Moderne aus Glas, Stahl und Beton, die global bekannt ist. Doch selten wurde bisher der Blick auf die inneren Werte gewagt.

Was sich unter der Oberfläche des Putzes des Bauhausgebäudes, der Meisterhäuser und der anderen Dessauer Bauhausbauten befindet, kann ab dem 3. Oktober in der neuen Dauerausstellung „Archäologie der Moderne“ erkundet werden.

Im Sockelgeschoss des Bauhausgebäudes in der Gropiusallee, in Nachbarschaft zum Bauhauscafé, wo sich einst Werkstätten und ein Materiallager befanden, können Besucher auf einem Rundgang erleben, was hinter den Bauhausfassaden steckte und zum Teil noch heute steckt.

Teil des Bauforschungsarchivs wird mit der Ausstellung der Öffentlichkeit präsentiert

„Mit dem Fokus auf die Materialität erweitern wir den Blick auf die Gebäude und ihre Architektur, die sonst nur von der oberflächlichen Struktur her betrachtet werden“, erläutert die Kuratorin Monika Markgraf, die das 1998 ins Leben gerufene Bauforschungsarchiv leitet.

Dort werden verschiedene Baumaterialien, Wand- und Deckenverkleidungen sowie Fußböden und Gegenstände von Inneneinrichtungen aus verschiedenen Dessauer Bauhausgebäuden archiviert, erforscht und dokumentiert. Ein Teil des Bauforschungsarchivs wird mit „Archäologie der Moderne“ der Öffentlichkeit präsentiert.

So gibt es verschiedene Betonteile zu sehen, die einst im Bauhausgebäude und den Meisterhäusern verbaut worden sind. „Man hat damals viel experimentiert, um herauszufinden welche Zusammensetzungen am besten für moderne Gebäude geeignet sind“, erläutert Markgraf. Für viel Stabilität, aber ebenso für einen möglichst guten klimatischen Ausgleich mussten die Betonmischungen sorgen.

Das Bauhaus ist zur Avantgarde für das moderne Bauen geworden

Auch Dämmstoffe wurden bei den Bauhausbauten großflächig verbaut. Leichtbauplatten aus imprägniertem und gepresstem Torf, sogenanntes „Torfoleum“ kam ebenfalls verstärkt zum Einsatz. „Es ist gerade der experimentelle Umgang mit diesen damals modernen Baumaterialien, der die Grundlagen dafür lieferte, dass bis heute Gebäude gebaut werden können, die uns filigran und mit einer gewissen Leichtigkeit erscheinen“, sagt die Kuratorin der Dauerausstellung.

Das Bauhaus ist zur Avantgarde für das moderne Bauen geworden, was sich auch bei Zeugnissen der Inneneinrichtung widerspiegelt. Türklinken mit integrierten Türschlössern sind heute Standard. In den 1920er Jahren waren sie noch zukunftsweisend. Ein großes Sammelsurium an verschiedenen Exponaten, von der Türklinke, über Heizkörper bis zur Badewanne, wird ebenso bei „Archäologie der Moderne“ präsentiert.

Sonderausstellung beschäftigt sich mit nationalsozialistischer und jüdischer Geschichte

Die dort ausgestellte Badewanne stammt übrigens aus dem Garten des Meisterhauses Kandinsky/Klee, mit viel Patina, was ganz im Sinne der Archäologie ist, Dinge in ihrer Gebräuchlichkeit und nicht im idealisierten Zustand des Hochglanzes zu zeigen.

Zeitgleich mit der Eröffnung der Dauerausstellung im Bauhausgebäude in der Gropiusallee gibt es dort eine neue Sonderausstellung bis zum 17. November. „Transferumbau“ beschäftigt sich mit einem bisher wenig erforschten Kapitel nationalsozialistischer und jüdischer Geschichte.

Im Mittelpunkt steht das Haavara-Abkommen, das 1933 zwischen der NS-Regierung und Palästina vereinbart wurde. Jüdische Mitbürger, die zwischen 1933 und 1938 nach Palästina, was später der Staat Israel werden sollte, freiwillig auswanderten, konnten über das Abkommen einen Teil ihres Besitzes dorthin transferieren.

Kuratorin erzählt Geschichte hinter „Weiße Stadt“ in Tel Aviv

Das Vermögen wurde bei einer deutschen Transferbank eingezahlt. Von diesem Geld wurden dann Waren und Baumaterialien in Deutschland gekauft und nach Palästina verkauft. Schätzungsweise rund 150 Millionen Reichsmark wurden transferiert.

Zum Teil wurde davon die „Weiße Stadt“ in Tel Aviv errichtet. Die Kuratorin Hila Cohen-Schneiderman und ihr Team, erzählen in der Ausstellung die Geschichten dahinter. (mz)

Die Eröffnung der beiden Ausstellungen „Archäologie der Moderne“ und „Transferumbau“ im Dessauer Bauhausgebäude ist eingebettet in die „Triennale der Moderne“. Dieses Format soll seit 2013 und aller drei Jahre mit zahlreichen Veranstaltungen und Aktionen die Zeugnisse des Bauhauses in Weimar, Dessau und Berlin für Besucher besser begreifbar machen. Nach dem Auftakt vom 26. bis 29. September in Weimar, wird vom 4. bis 6. Oktober in Dessau und vom 10. bis 13. Oktober in Berlin gefeiert.

Die beiden Ausstellungen werden am 3. Oktober, um 17 Uhr in der Aula des Bauhausgebäudes in der Gropiusallee 38 eröffnet. Um 18 Uhr gibt es Kuratorenführungen zur Dauerausstellung „Archäologie der Moderne“ mit Monika Markgraf und zur Sonderausstellung „Transferumbau“ mit der Kuratorin Hila Cohen-Schneiderman in englischer Sprache.

Von Freitag, 4. Oktober, bis Sonntag, 6. Oktober, sind dann im Rahmen der „Triennale der Moderne“ alle Dessauer Bauhausbauten (mit Ausnahme der Ausstellungen im Bauhausmuseum) bei freiem Eintritt zu besichtigen. Darüber hinaus gibt es von Freitag bis Sonntag jeweils 10 Uhr ab dem Bauhausgebäude eine geführte Radtour zu moderner Architektur in Dessau. Die Teilnahme kostet neun Euro pro Person. Zusätzlich gibt es an allen drei Tagen Vorträge, Konzerte, Rundgänge und Workshops.

Das vollständige Programm ist unter www.triennale-der-moderne.de zu finden.

Letzte Feinabstimmungen vor der Eröffnung am 3. Oktober
Letzte Feinabstimmungen vor der Eröffnung am 3. Oktober
Thomas Ruttke
Ein alter Wasserhahn
Ein alter Wasserhahn
Thomas Ruttke