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Herz-Jesu-Kirche Roßlau Herz-Jesu-Kirche Roßlau: Schlichter Barock als Zeichen der Rückkehr

Von Thomas Altmann 06.12.2002, 18:52

Roßlau/MZ. - Ziemlich spät hielt die Reformation in Roßlau Einzug. Der Reigen der evangelischen Pastoren begann hier erst zwischen 1536 und 1540, in Zerbst bereits 1522. Allumfassend oder allen gemäß, wie das griechische Wort katholikos sagt, war die katholische Kirche schon lange vor der Reformation nicht mehr. Die päpstlich verfasste Kirche leitet ihren Ursprung und ihren Anspruch auf Katholizität vom Apostel Petrus ab, der in Rom gewirkt haben soll. Das entscheidende Wort steht im Matthäusevangelium (16,18f.). Jesus sagt da: "Du bist Petrus (der Felsen), auf diesem Felsen will ich meine Gemeinde erbauen". Der Papst gilt als Nachfolger des Apostels und somit als Träger des Petrusamtes.

Der erste evangelische, außerhalb dieser Erbfolge stehende Pfarrer in Roßlau war Jakob Steyrer. Bis 1770 gibt es keinen Hinweis auf die Anwesenheit von Katholiken in der Stadt. Durch die Vorliebe des Fürsten Friedrich August von Anhalt-Zerbst für das Militär kamen wieder einige Katholiken nach Roßlau. Aber erst während der Industriealisierung stieg mit der enorm anwachsenden Bevölkerung auch die Zahl der Katholiken. 1906 mietete der Dessauer Pfarrer Heinrich Hähling von Lanzenau beim Gastwirt "Zum Bären" in der Hauptstraße 38 zwei Zimmer, um eine katholische, einklassige Privatschule einzurichten, in der man fortan auch Gottesdienste feierte. Seit der Gründung der Gemeinde in Alten 1907 wurden die Roßlauer Katholiken durch den Altener Filialvikar Friedrich Beulke betreut. Dieser ließ 1912 das Gelände am heutigen Schillerplatz kaufen.

Der geplante Bau der Kirche verzögerte sich durch den Weltkrieg und die nachfolgende Inflation. Am 5. Mai 1926 wurde mit dem Bau der Schule, dem heutigen Pfarrhaus begonnen. Am 20. Juni fand die Grundsteinlegung der Kirche statt. Geweiht wurde sie am 26. Juni 1927 durch den Weihbischof von Paderborn, Monsignore Hillebrand. 1937 zog der erste Roßlauer Pfarrvikar in die zweite Etage der Schule. 1951 fand die Trennung von Alten statt, wodurch Roßlau zu einer selbständigen Pfarrei wurde.

Die dem Barock nachempfundene Kirche ist nach den Plänen von Karl Freckmann erbaut worden. In der Gegenreformation bediente sich die katholische Kirche des Barock und erschuf den "himmlischen Festsaal" als Kontrapunkt zur protestantischen Schmucklosigkeit. Die Herz-Jesu-Kirche ist im Gegensatz zu ihren Vorbildern recht bescheiden eingerichtet. Der Altar nimmt die typischen Schwingungen des Barock auf. Das Altarbild zeigt die Emmausszene.

Über dem Reliquienschrein, der im Altar eingemauert ist, steht das Tabernakel, das Sakramentshäuschen, in welchem die geweihten Hostien aufbewahrt werden. Dieses markiert heute den sichtbarsten Unterschied zur evangelischen Kirche, nachdem die Chorschranken, die früher den Altarraum vom Kirchenschiff trennten, auf Beschluss des 2. Vatikanischen Konzils von 1962-65 abgetragen worden waren. Löcher im Fußboden zeugen von der ehemals sichtbaren Trennung.

Im Abendmahlsverständnis der katholischen Kirche wandeln sich Brot und Wein durch das priesterliche Wort in Leib und Blut Christi. Man spricht von der Wandlung der Substanzen unter Wahrung ihrer Erscheinung.

Auch Luther lehrte, anders als die reformierten Theologen, die reale Anwesenheit Christi im Abendmahl, die aber nur während des Vollzugs des Abendmahls hinzutritt. Für die katholische Kirche bleibt die Wandlung vollzogen. Wenn geweihte Hostien im Tabernakel sind, brennt deshalb ein Licht.

Die Gemälde im Kirchenschiff zeichnen den Leidensweg Jesu nach. Es sind die mittelalterlichen Kreuzwegstationen, denen die in der Passionszeit gehaltenen Kreuzweggebete entsprechen. Dieser Brauch geht auf die Frömmigkeit der Franziskaner zurück, welche besonderen Wert auf die Ideale der Nachahmung und der Demut legen. Franz von Assisi, der sich in das Leid Jesu versenkte, soll 1224 am Monte La Verna stigmatisiert worden sein, das heißt die Wundmale Christi ohne äußere Einflüsse erhalten haben.

Seit 1936 beherbergt die Herz-Jesu-Kirche einen Marienaltar. Mutter Mirjam, die Mutter Jesu ist auch in der Verkündigungsszene auf dem Tabernakel abgebildet. Der Engel Gabriel tritt vor das galiläische Mädchen. Was zu sagen ist, sagt schon der Name. Gabriel heißt: "Mein Mann ist Gott".

Bote und Botschaft sind einer alten hebräischen Tradition entsprechend identisch. Andere Traditionen kamen hinzu.