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Herbstlese Herbstlese: Von neuem Lebensgefühl nach schwerem Kampf

Von Annemarie Gramsch 21.11.2001, 19:19

Roßlau/MZ. - Unerwartet groß war am Dienstagabend der Besucherandrang in der Stadtbibliothek, in der Heidrun Ehrhardt aus ihrem Buch "Schulmedizinisch aufgegeben - was nun?" las.

Es war der 15. Juli 1997, ein Tag der das Leben der Autorin grundlegend veränderte. Nur ein Jahr nach einer Brustoperation wird der Mutter zweier Kinder mitgeteilt, dass sich nun Metastasen in ihrer Lunge befinden. Dass sie unheilbar krank wäre, dass sie maximal noch fünf Monate zu leben hätte und dass sie sich noch ein paar schöne Tage machen solle, sagt man ihr und schickt sie nach Hause.

Für die damals 35-jährige ist die unfassbare Nachricht ein Schock, die Diagnose scheint ihr wie ein Todesurteil. Allein gelassen von den Ärzten und ohne psychologische Betreuung, beschließt die junge Frau, aus eigener Kraft gegen den Krebs zu kämpfen und entwickelt sogar so etwas wie Galgenhumor.

Nach einer Odyssee an Spezialuntersuchungen in einer Uniklinik stellt man sie vor die Entscheidung, einen Vertrag als Testperson für eine Hochdosis Chemotherapie mit Stammzell-Support zu unterschreiben. Mit der zehnfachen Dosis Cytostatika könnte die Agraringenieurin und heutige amtlich geprüfte Gesundheits-, Ernährungs- und Lebensberaterin noch fünf Jahre überleben - mit einer Therapie, die derzeit noch nicht vollständig wissenschaftlich anerkannt ist und die die stolze Summe von rund 300 000 Mark kostet.

Nicht zuletzt diese minimale Chance bestärkt die aus schulmedizinischer Sicht als unheilbar diagnostizierte Frau in ihrem Willen, niemals aufzugeben. Sie beginnt, ausgewählte Literatur zu lesen, entwickelt ein lebendiges Interesse am eigenen Körper und Organismus und verfolgt die Schicksale anderer Krebspatienten. Ebenso unvoreingenommen wie hoffnungsvoll beschäftigt sie sich auch mit Naturheilkunde, zieht neue Kraft und Lebensmut aus Erfahrungsberichten und Heilgeschichten.

"Unverzichtbar sind Freude am Leben, Liebe und der Glaube für die Genesung", liest die Autorin in die mitfühlende, zugleich erschütternde Stille der Bibliothek. Wie eine Massenabfertigung beschreibt sie die Stimmung in der Radiologie und Onkologie, in der die Patienten - mit Nummern versehen - ihre "chemischen Keulen" bekommen und mit einem neuen Termin nach Hause geschickt und ihrem Schicksal überlassen werden.

Schließlich schickt sie ihre Unterlagen an die Hufelandklinik für ganzheitliche immunbiologische Therapie und darf sich nur wenige Wochen danach überweisen lassen. Ein Schritt, für den man sie oft belächelt und mit dem sie oft auf Ablehnung stößt. Aber letztlich ein Schritt der ihr in der vierjährigen Behandlung das Leben rettet und - verglichen mit der Chemotherapie - "nur" 56 000 Mark kostet.

Es folgen die Gabe von Kräutern, die komplette Ernährungsumstellung auf Vollwert- und Naturkost, viel Vitamine, Zink, Selen und andere wichtige Mineralien, der gezielte Einsatz von Sauerstoff, Thymusspritzen, aktive Fiebertherapien und Infusionen zur Regenerierung der Leber. Krebs sei eine Erkrankung des gesamten Organismus, deshalb beschreibt Heidrun Ehrhardt die seelische Entgiftung durch Malen, Tanzen und Schreiben als ebenso wichtig wie die angewandte Therapie.

Nach ihrem erfolgreichen Kampf gegen den Krebs macht sie das in der Hufelandklinik neu gewonnene Lebensgefühl mit einem Goethe-Zitat deutlich: "Hier bin ich Mensch, hier darf ich''s sein."

Und fügt lächelnd hinzu: Schließlich hatte ich nur eine Chance von 1:60 000".