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Heimatkundeunterricht Heimatkundeunterricht: Bei Dinosauriern musste sie passen

Von Ute Hartling-Lieblang 23.01.2002, 18:05

Köthen/MZ. - "Wie wird man denn Archäologin und muss man dazu auch aufs Gymnasium?" Die Antwort auf diese Frage enttäuschte den neunjährigen Fragesteller aus der Köthener Naumannschule sichtlich. Denn als die Archäologin Andrea Pieper erklärte, dass sie nach dem Abitur noch ein Studium absolviert hat, kam es aus dem Munde des Jungen wie aus der Pistole geschossen "Das dauert ja ewig".

Die junge Frau aus Halle, die seit einigen Monaten die Grabungen auf dem Köthener Marktplatz leitet (MZ berichtete), war am Mittwoch für eine Unterrichtsstunde lang Gast in zwei dritten Klassen der Naumannschule. Angeregt worden war diese völlig andere Heimatkundestunde vom Vorsitzenden des Klassenelternrates der 3a, Matthias Teichelmann, der selbst daran teilnahm.

Begeistert von der Idee zeigten sich auch die beiden Klassenlehrerinnen der 3a und 3b, Cornelia Ableidinger und Inge Salomon. "Es müsste immer so lustig sein bei uns", stimmten die Lehrerinnen am Ende überein. Denn die eine oder andere Frage der Drittklässler reizte die erwachsenen Zuhörer so recht zum Schmunzeln. Beispielsweise als Andrea Pieper erklärte, was ein Fachmann an einem ausgegrabenen Skelett alles erkennen kann: "ob es sich um einen Mann oder eine Frau gehandelt hat, wie alt der Fund etwa ist, wie sich der Mensch früher ernährt hat und auch verschiedene Krankheiten." Worauf ein Schüler fragte: "Auch Husten?"

Geduldig und dem Alter der Schüler angepasst, beantwortete die Archäologin alle Fragen. Und die sprudelten nur so aus den Mündern der Schüler. Wie lange denn eine Ausgrabung dauert, wollten sie wissen, was mit den Skeletten passiert, wenn es regnet oder schneit, welches der wertvollste, größte, älteste, schönste Fund gewesen sei, den sie am Köthener Markt bisher ans Tageslicht befördert habe.

Eines der Mädchen interessierte sich sogar dafür, warum die Zähne von Toten aus früheren Epochen oft so glatt geschliffen gewesen sind. Worauf Andrea Pieper erklärte, dass dies mit der Nahrung zu tun hatte. Da die Getreidekörner früher mittels Mahlsteinen zerrieben worden, seien nicht selten auch einige Steinreste mit ins Mehl gelangt, die an den Zähnen gerieben haben.

Großes Interesse bei den Schülern fanden auch die mitgebrachten Scherben von früheren Haushaltsgefäßen oder Kachelöfen, darunter die Reste eines Keramikkochtopfes mit Füßen, die dazu dienten, ihn ins Feuer zu stellen, oder zwei noch sehr gut erhaltene Topfdeckel. Bewundert wurde auch die Gürtelschnalle, die bei einem der Skelette gefunden wurde, und ein ziemlich schwerer Rest von Schlacke, eine Überbleibsel der Eisenherstellung durch unsere Vorfahren.

Sowohl Utensilien aus der Steinzeit als auch aus der Germanenzeit haben Andrea Pieper und ihr Grabungsteam bisher am Köthener Markt gefunden. Das war vor 7 000 und vor 2 000 Jahren, wie die Schüler erfuhren. Einige kamen mit ihren Schätzungen schon ganz dicht an diese Zahlen heran. Etwas konkreter waren dann schon die Vorstellungen vom Mittelalter. Aus dieser Zeit zeigte Andrea Pieper den Drittklässlern zum Beispiel eine Spinnwirtel, den Vorgänger eines Spinnrades, die einige Kinder zunächst für einen Ring oder ein ähnliches Schmuckstück hielten. Auch Münzen habe man gefunden, Reste eines Hammers, mehrere Messer und so weiter, erklärte Frau Pieper den Kindern. Inzwischen könne man mit diesen Funden rund 16 Einkaufskisten füllen, machte sie deren Umfang anschaulich.

Auch wenn die Archäologin nicht mit so wertvollen oder seltenen Funden wie Königskronen oder gar Knochen von Dinosauriern aufwarten konnte, die Mädchen und Jungen hörten ihren Ausführungen dennoch mit großer Begeisterung zu. Immer wieder bestaunten sie die hochgezeigten Ausgrabungsstücke mit einem "oooh" oder "cool" und waren schließlich ganz aus dem Häuschen, als sie mit Andrea Pieper nach der Unterrichtsstunde noch zur Ausgrabungsstelle am Markt gehen durften. Zuvor aber gab es Blumen für die freundliche Archäologin als Dankeschön von Lehrern und Schülern.