Haideburger verbindet ein Kabel
Dessau/MZ. - Haideburgs Bewohner eint nicht etwa ein Heimatverein. Die meisten Leute verbindet seit Jahren ein schlichtes Kabel, an dessen Ende sich eine Antennenanlage befindet.
Haideburg ist der einzige Stadtteil mit einer eigenen Antennenbetreibergemeinschaft. Geschichten darum kennen viele, das jahrelange gemeinsame Buddeln und Basteln beim Kabelverlegen, um sich endlich das Westfernsehens ins Haus zu holen, verbindet noch heute.
Haideburg liegt im Wald. Die Bäume hatten den Stadtteil fast zum Dessauer "Klein-Dresden" werden lassen, doch die Leute wussten sich 1984 zu helfen. So pilgerten am 24. November 1984 über 200 Haideburger zum Dessauer Waldbad, um in der Gaststätte eine Gemeinschaft ins Leben zu rufen. Was dann kam, sei das blanke Bürgerengagement gewesen, erinnert sich Christoph Popp, damals Wohngebietsvorsitzender und heute der Vorsitzender der Antennengemeinschaft.
Jenen Gründungstag hatten Vorstand und Straßenverantwortliche auf den Tag genau zum Anlass genommen, in alten Protokollen zu lesen, sich in der Gaststätte "Jägerklause" die lustigsten Begebenheiten in Erinnerung zu rufen.
Geschichten gibt es viele: "Wenn der Fernseher anging, dann ging auch die Sonne auf," erinnert sich Hans-Joachim Rübsamen an zahllose Installationsarbeiten in den Wohnungen der Gemeinschafts-Mitglieder. Als sich herumgesprochen hatte, dass die Anlage in betrieb gehen soll, sei der Druck erheblich gewesen. Jeder wollte seinen Kabelanschluss.
Für den Stundenlohn, den die Helfer sich damals gewährten, würde heute niemand mehr arbeiten, kommentiert Christoph Popp alte Vereinbarungen: Für das Anschließen einer Kupplung bekamen die Helfer 30 Pfennige, sechs Klemmstellen zu installieren brachten fünf Mark, für den Teilnehmeranschluss wurden sechs Mark berechnet. "Reich ist dabei wirklich niemand geworden", weiß Haideburgs erster Antennen-Gemeinschaftsvorsitzender, Peter Greuling.
Dass Haideburgs Antennengemeinschaft heute nicht mit 20 Jahre alter Technik fern sieht, versteht sich von selbst. Die 460 Haushalte bekommen für 46 Euro Jahresbeitrag inzwischen 29 analoge Fernseh- und 30 Rundfunksender ins Haus geliefert. Alle könnten auch digital Fernsehen, wenn sie sich eine digitale Kabelbox installierten, erklärt Gemeinschaftsmitglied Günter Streuber beim Traditionstreffen in der "Jägerklause". Immerhin 40 weitere Programme könnten dann in bester Qualität empfangen werden.
"Die Antennengemeinschaft ist eine Erfolgsstory in Haideburg - das hat uns zusammengeschweißt", sagt Günter Klages am Ende des geselligen Abends. Längst ist es mehr als ein Kabel, das Haideburg zusammenhält.
Die Gemeinschaft wird weiter investieren. Das Verteilerhäuschen ist zu klein geworden. So ist die Anschaffung eines Containers beschlossene Sache. Auch der 1983 installierte Antennenmast - ein ausrangierter von der Reichsbahn - soll statistisch überprüft werden. Beides wurde von der Gemeinschaft vergangenen Mittwoch besprochen und beschlossen.