Griff nach dem Anker Griff nach dem Anker: Katrin Knoche aus Dessau gründet Selbsthilfegruppe nach Tod Ihres Mannes

Dessau - Über Nacht stand Katrin Knoche plötzlich komplett alleine da. Ihr Mann Jürgen war Ende März bei seiner Arbeit als Pannenhelfer auf der A9 ums Leben gekommen. Sie stand neben sich, beschreibt sie schreckliche Tage und Wochen, in denen sie verzweifelt Hilfe suchte.
„Ich wäre dankbar gewesen, wenn ich Ansprechpartner gehabt und mir jemand gesagt hätte, welche Behördenwege zu erledigen sind. Oder der einfach gesagt hätte: Ich weiß, wie du dich fühlst.“ Nun, mehr als sieben Monate später, hat Katrin Knoche den Mut, eine Selbsthilfegruppe zu gründen, für „Menschen, die ihre nächsten Angehörigen durch plötzlichen Unfalltod verloren haben“.
Angedockt wird die Selbsthilfegruppe bei der Dessauer Kontaktstelle für Selbsthilfegruppen. Diese gibt es bereits seit 1992, Trägerverein ist die Arbeits- und Sozialförderungsgesellschaft.
Mehr als 2.000 Mitglieder aus Dessau-Roßlau und der Region geben sich wechselseitig Hilfe
Momentan gibt es 83 Selbsthilfegruppen, sagt Kontaktstellenleiterin Gabriele Bachmann: Von A wie Adipositas-Hilfe (Übergewichtige) über D wie Diabetes, K wie Krebs, O wie Osteoporose und P wie Poliomyelitis (Kinderlähmung) bis Z wie Zwänge. Mehr als 2.000 Mitglieder aus Dessau-Roßlau und der Region geben sich hier wechselseitig Hilfe, indem sie Erfahrungen und Informationen austauschen, in dem sie offen über ihre Sorgen, Nöte, Ängste sprechen können.
Bei Bedarf, so Bachmann, werden auch Fachleute herangezogen, organisieren Gruppen Arzt-Patienten-Seminare. Andere Gruppen wiederum werden regelmäßig in speziellen Gymnastik-Kursen von Therapeuten angeleitet. Die Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe ist grundsätzlich kostenlos. Für besondere Projekte gibt es Zuschüsse von Stadt, Land und Krankenkassen, so dass der Unkostenbeitrag für jeden erschwinglich bleibt.
Doch als Katrin Knoche sich im Frühjahr hilfesuchend auch an Gabriele Bachmann wandte, musste diese passen. Eine Gruppe, wie sie die Dessauerin brauchte, gibt es bislang nicht. Dabei, glaubt Katrin Knoche, ist sie sicherlich nicht die alleinige Betroffene. „Ich denke, es geht anderen genauso“, sagt sie und verweist etwa auf viele Kreuze oder auch Kerzen am Straßenrand.
„Die fahren wie die Bekloppten. Das ist doch alles kein Computerspiel, sondern real.“
„Es gibt Krieg auf den Straßen. Die fahren wie die Bekloppten. Das ist doch alles kein Computerspiel, sondern real“, ist sie noch immer geschockt von dem, was ihrem Mann widerfuhr. Als er das liegengebliebene Auto einer Familie abschleppen wollte, wurde er von einem Kleintransporter erfasst. Der Fahrer beging Fahrerflucht und wurde in Brandenburg gestellt.
„Mir ist es ein Bedürfnis darüber zu reden und auch zu helfen“, sagt Katrin Knoche. Betroffenen - ob Familienangehörige, Freunde oder Arbeitskollegen - nach solch einem Schicksalsschlag zu signalisieren, dass sie nicht alleine sind, findet sie wichtig.
Das erste Treffen soll noch vor Weihnachten stattfinden
Wenn sich mindestens sechs Interessenten melden, so Bachmann, könne das erste Treffen stattfinden. Sie ist auf jeden Fall dabei, erklärt die Kontaktstellenleiterin, „auf Wunsch begleite ich die Gruppe länger“. Im Durchschnitt dauere es ein halbes bis ein dreiviertel Jahr, „bis sich ein Gruppensprecher gefunden hat“.
Noch vor Weihnachten das erste Treffen zu organisieren, „das wäre mein Herzenswunsch“, sagt Katrin Knoche. „Es ist ein Anker für Betroffene, man muss nur danach greifen.“ (mz)
Betroffene können sich in der Kontaktstelle für Selbsthilfegruppen, Schloßplatz 3 in 06844 Dessau, Tel. 0340/213200 anmelden (montags bis donnerstags von 8 bis 15 Uhr und freitags von 8 bis 11 Uhr) oder per E-Mail an [email protected].