Gern geschenkte Lebenszeit Gern geschenkte Lebenszeit: Besuchsdienst in Dessau hilft seit 20 Jahren Menschen am Krankenbett

Dessau - Bescheidenes Klopfen, dann schiebt sich vorsichtig erst der Kopf, dann die Person ins Krankenzimmer, die kein Arzt, keine Schwester oder Helferin ist. „Guten Tag, darf ich Sie besuchen und mit Ihnen sprechen?“ So könnte die erste Begegnung zwischen dem Patienten und dem unbekannten Besucher anfangen. Und in den meisten Fällen sitzt kurz darauf der Besuch am Tisch oder gar auf der Bettkante.
Seit 20 Jahren hat das Städtische Klinikum Dessau einen Ökumenischen Besuchsdienst aus ehrenamtlichen Begleitern und Helfern. Sie hören zu, erzählen und trösten. „Sie sind die guten Seelen unseres Hauses“, dankte der Ärztliche Direktor Joachim Zagrodnick zur Feierstunde am Mittwoch den Männern und Frauen für deren unverzichtbaren und unentgeltlichen Dienst, der längst nicht selbstverständlich sei.
Die Behandlungen im Krankenhaus würden sich immer mehr verdichten mit mehr Technik und Hektik, Zeit für den Menschen bleibe weniger. „Dank Ihnen finden die Patienten Zuwendung in schweren Zeiten“, sagt der Klinikdirektor. Stadtratsvorsitzender Lothar Ehm verbeugte sich persönlich vor den Ehrenamtlern, in Vertretung des Oberbürgermeisters dankte Sabrina Nußbeck brieflich.
„Wir schenken doe Zeit denen, die in besonderen oder beängstigenden Situationen scheinbar allein sind“
„Wir nehmen uns Zeit. Und schenken sie denen, die in besonderen oder beängstigenden Situationen scheinbar allein sind.“ Helga Tenschert gehört seit 2008 zu denen, die an die Zimmertüren klopfen. Die von Hause aus gelernte Kinderkrankenschwester ist - seit über 40 Jahren dem Dessauer Krankenhaus verbunden.
Schon seit 1974 ist sie in der Krankenhausfürsorge damit beschäftigt, den Patienten mit Hilfreichungen beizustehen: Bei den Anträgen für Pflegegeld, Schwerbeschädigtenausweis oder Heimunterbringung sowie bei der Entlassung in häusliche Betreuung.
Dieses Arbeitsfeld fand sich nach 1990 im „Sozialdienst“ des Städtischen Klinikums wieder, wo Tenschert bis zum Ruhestand 2010 arbeitete. Eine Phase von Altersteilzeit war vorgeschaltet. Es wurde aber nichts mit einem „Abschied vom Krankenhaus“. Denn bereits 2008 zog die langjährige Fürsorgerin den Kittel an und ging mit den „Grünen Damen“ zu Patientenbesuchen. Die Treffen hat sie nicht gezählt.
Nachwuchs für den Besuchsdienst wird dringend gesucht
Aber Klinikseelsorgerin Rosemarie Bahn hat für den Jahrestag auch eine statistische Zählung und Hochrechnung gemacht. Da summieren sich in den 20 Jahren über 53.400 ehrenamtliche Stunden, die die Helferinnen und Helfer verschenkten.
Das ist auf die Lebenszeit umgerechnet, ein halbes Jahr, das die Männer und Frauen mit ihrem Besuchsdienst an Menschen verschenkt haben. An Menschen, die sie vorher nicht kannten. „Aber ihr habt es mit einem Lächeln geschenkt und fühlt euch danach auch selber beschenkt“, ist Teamleiterin Bahn mächtig stolz auf ihre Leute.
Die aktuell aktiven 17 Ehrenamtler im Ökumenischen Besuchsdienst sind gestandene Leute, datunter sind drei Männer. Tobias Biener ist seit zehn Jahren dabei, aber der einzige, der noch aktuell im Berufsleben steht. „Wir suchen händeringend Nachwuchs“, weist die 74-jährige Helga Tenschert auf ein großes Problem hin. Drei bis vier Stunden Zeit pro Woche braucht der Freiwilligendienst für das Reden, Zuhören und Trösten. Aktuell allerdings können die 17 Ehrenamtler nicht durchgehend alle Stationen im Klinikum oder im Altenheim besetzen. Zusätzliche Mutmacher werden also dringend gesucht. (mz)
Der Ökumenenische Besuchsdienst im Städtischen Klinikum ging 2016 als eigenständige Gruppe und mit neuem Namen hervor aus der Organisation der„Grünen Damen und Herren“. Sie sind seit 1998 ehrenamtlich tätig in der stationären Krankenhauspflege und verstehen sich als Bindeglied zwischen Ärzten, Krankenschwestern und Patienten.
Sie ergänzen die Arbeit auf den Krankenhausstationen. Ihre Gesprächsangebote und kleinen Hilfeleistungen sind unabhängig von konfessionellen Bindungen. Dem ökumenischen Gedanken folgend, werden die Patienten auf Wunsch von evangelischen (Rosemarie Bahn) oder katholischen Seelsorgern (Beate Bartsch) betreut.
Am Klinikum Dessau gibt es den Ökumenischen Besuchsdienst auf den Stationen seit Oktober 1998 und seit 2004 im Altenheim „Am Georgengarten“. Gegenwärtig sind das 17 ehrenamtliche Helfer.
Teamleiterin ist Klinik-Seelsorgerin Rosemarie Bahn, Auenweg 38, Telefon 0340/5 01 12 42.