Für krebskranke Kinder Für krebskranke Kinder: 16-jährige Lea aus Dessau trennt sich von ihrer langen Haarpracht

Dessau - Ratzfatz oder Schnippschnapp, ab ist der Zopf? Das ist alles Legende, wenn das natürliche Haarkleid derart üppig, derart lang und von solcher Stärke ist wie das von Lea Gehre.
Als die 16-Jährige auf dem Frisörstuhl saß, hatte es eine gute Zeit gebraucht, bevor die Fachfrau den Schopf zunächst erst mit Haargummi ganz straff zu einem Pferdeschwanz gebündelt hatte und diesen dann mit scharfer Schere Millimeter für Millimeter vom Hinterkopf trennte. Zuletzt überreicht die Frisörin dem Mädchen den gut 48 Zentimeter langen Zopf mit glattem Haar in hell- bis mittelblonder Farbe.
Und wo Mädchen gewöhnlicherweise mindestens ein Tränchen verdrücken, strahlen Leas helle Augen. Und sie lacht die Frisörin an: „Jetzt hätte ich gern einen Pixie-Kurzhaarschnitt.“
Lea kann sich nicht erinnern, jemals kein langes Haar getragen zu haben
Die optische Veränderung hätte radikaler kaum sein können. „Aber ich wollte es so“, sagt Lea Gehre, die Schülerin aus der Sekundarschule Kreuzberge im Seelenbinder-Ring, unmissverständlich. Gründe dafür gab es für die Neuntklässlerin mehrere. Der enorme, tägliche Aufwand mit der Haarpracht spielte eine wichtige Rolle, gibt Lea zu. „Es hat schon ewig gedauert, die Haare erstmal zu trocknen oder zu kämmen. Das hat vor allem früh viel Zeit gekostet. Und am Ende einfach nur noch genervt.“
Als Frisur blieb dann oft „nur“ der zusammengebunden offene Pferdeschwanz. Ab und zu auch mal geflochten und wenn sie mal Zeit hatte, zu einem aufwendigen französischen Zopf vom Ober- über den Hinterkopf gezogen. Dieses schrittweise Einflechten einzelner Strähnen hat Lea ohne fremde Hilfe selbst gemacht. „War ja hübsch, wurde aber nicht oft getragen.“
Lea kann sich nicht erinnern, jemals kein langes Haar getragen zu haben. „Es wuchs und wuchs, wurde höchstens regelmäßig in den Sitzen korrigiert.“ Es gab wohl einmal einen Versuch, die Haarpracht zu kürzen vom Popo bis auf den halben Rücken - und das gleiche Ergebnis: Wieder weiter wachsen.
Lea musste erst Überzeugungsarbeit im Friseursalon leisten
In der Klasse haben fünf Mädchen gleichfalls noch langes Haar: Jasmin, Vianne, Janna, Jenny und Angelique tragen es zumeist offen. Und dann mache Paul mit seiner Mähne noch „voll auf Rocker“. Als die „neue Lea“ im neuen Jahr in der Schule aufkreuzte, habe man sie auf den ersten Blick fast nicht erkannt. Wie die Sekretärin der Schulleitung.
„Genauso erging es Leas Opa, den wir ja zuallererst in Dessau-Süd besuchten“, erinnert sich Kristian Gehre. Der Vater nämlich fuhr mit seiner Tochter am Silvester-Vormittag zum Friseur. „Es war das Papa-Wochenende“, so Gehre, der getrennt von Frau und Kind lebt. Auch ihm war dieser einschneidende Schritt nicht ganz leicht gefallen. „Aber Lea hat es sich gewünscht.“
Die energische 16-Jährige ließ sich von ihrem Entschluss nicht abbringen. Selbst als noch im Friseursalon ein „Boykott“ drohte. Und zwar seitens zweier Haarkünstlerinnen, die fürchteten, das Mädchen wäre nach dem nicht mehr rückgängig zu machenden Schnitt dann doch erschrocken und traurig. Erst nach der Drohung der Kunden, sie würden in den nächsten Salon gehen, fasste sich schließlich die dritte Friseurin ein Herz.
Zopf ab für einen guten Zweck „Haarschnitt mit Herz“
Lea hat ihr Pixie-Schnitt, die Trend-Frisur der Kurzhaarigen, von Beginn gefallen. Auch die Freundinnen finden es jetzt gut. Und Papa Kristian Gehre meint: Lea wirkt jetzt erwachsener.
Und so war es für die junge Dessauerin ein folgerichtiger Schritt, über den Verbleib ihres Zopfes zu entscheiden: Sie weiß, dass kranke Kinder bei einer Krebstherapie die Haare verlieren und Perücken tragen. Der in Aachen ansässige Verein „Haarschnitt mit Herz“ sammelt zur Unterstützung der kranken Kinder Echthaar-Zöpfe, die ein Perückenmacher in einen neuen Haarschopf verwandelt. Und für Lea steht fest: „Mit meinem Zopf will ich kranken Kindern helfen.“ (mz)
Feines, helles Haar ist auf dem Perückenmarkt viel Geld wert - kranke Menschen, die sich ein Echthaar-Toupet in ihrer natürlichen Haarfarbe wünschen, können dieses oft kaum bezahlen. Aus diesem Grund entschließen sich manche Menschen dazu, ihre Haarpracht abzuschneiden und zu spenden.
Diverse Organisationen nehmen diese Spenden entgegen. Damit die Haare auch wirklich einem guten Zweck zukommen, sollte der Empfänger allerdings mit Sorgfalt ausgewählt werden.
Etabliert ist etwa der Verein Haarfee aus Österreich. Hier werden die Spenden direkt zu Perücken verarbeitet und an kranke Kinder verschenkt - teils erfährt man am Ende sogar genau, wem man damit eine Freude macht.
Die Organisation BVZ Rapunzel wiederum verfolgt einen anderen Ansatz. Sie verkauft die Spenden in einer großen Haar-Auktion und gibt das gesammelte Geld an wohltätige Organisationen weiter, etwa an die Krebshilfe.
Damit die Haare auch wirklich als Perücke taugen, gilt es allerdings, mehrere Punkte zu beachten:
- Die gespendeten Haare müssen mindestens 25 Zentimeter lang sein. Manche Organisationen benötigen auch eine Mindestlänge von 30 oder 40 Zentimetern.
- Nur gesunde Haare: Gefärbte, getönte, gebleichte, chemisch behandelte, strapazierte oder kaputte Haare helfen nicht.
- Die Haare sollten alle in derselben Richtung liegen und zusammengebunden werden - am besten mit Gummibändern, die alle paar Zentimeter um den Zopf gewickelt werden.
- Den (trockenen!) Zopf zum Beispiel in mehrere Schichten Verpackungspapier und Küchenrolle wickeln, dann in einem harten Briefumschlag oder Päckchen verschicken.
Auch gut zu wissen: Einige Friseursalons schneiden Haare, die gespendet werden, kostenlos. Eine Liste gibt es zum Beispiel hier - oder einfach mal beim Salon vor Ort nachfragen.
