„Frieren für den guten Zweck“ Spektakel am Kühnauer See: Über 300 Unerschrockene trauen sich in Dessau in das vier Grad kalte Wasser
Die Aktion „Frieren für den guten Zweck“ ist in das dritte Jahr gestartet. Und wie: Rund 300 Unerschrockene gingen am Sonntag baden. Warum sie damit sich und anderen etwas Gutes tun und welche Tipps erfahrene Eisbader für sie parat hatten.

Dessau/MZ. - Kalt. - Gut. - Ja. Ben ist noch kurz angebunden. Kalt sei es gewesen, sagt er zuerst nur. Und als seine Mutter nachhakt: Gut sei es auch gewesen. Um schließlich zu verstehen zu geben: Er würde es wieder machen.
Die Dessauer Aktion „Frieren für den guten Zweck“ ist unter dem Hashtag #ffdgz zu finden
Für den 11-Jährigen war es eine Premiere. Am Sonntag war er zu ersten Mal in seinem Leben Eisbaden bei vier Grad Wassertemperatur und mit 322 anderen Menschen, die vermutlich alle älter waren als er. Seit drei Jahren ist der erste Advent im Freibad Kühnau der Start für eine Spendenaktion, die inzwischen, wie sich das heute gehört, einen Hashtag hat: #ffdgz. Soll heißen: Frieren für den guten Zweck, genauer Eisbaden für den guten Zweck.

Hinter der Idee stecken Stephan Heese und Christian Schmidt, zwei Dessauer Selbstständige, die sich der finanziellen Unterstützung anderer Unternehmer und der praktischen Hilfe etlicher Freunde versichert haben. Das Ganze funktioniert so: Für jeden Eisbader spenden die Firmen eine gewisse Summe. In diesem Jahr soll genug Geld zusammenkommen, um für die Lebenshilfe einen Caretable zu finanzieren, einen großen interaktiven Bildschirm für die Förderstätte der Lebenshilfe Roßlau.
Gegen halb 11 Uhr, eine halbe Stunde vor dem Gang ins Wasser, dominieren bei Sonnenschein, Windstille und Temperaturen um die null Grad Menschen in dicker Winterkleidung. Manche tragen putzige Mützen, doch Marion Blenk (63) und Siegfried Stark (72) stechen viel mehr aus der Masse: Die beiden sind in Bademäntel gehüllt, aus denen nackte Beine in Badelatschen ragen. Blenk geht seit 40 Jahren überall ins eiskalte Wasser.
„Elbe, Mulde, Weser, Saale – soll ich weitermachen?“ Ihren Partner musste sie erst überzeugen. Mittlerweile fahren die beiden alle paar Tage nach Kühnau, um zu trainieren. Die beiden baden nicht nur, sie schwimmen auch – eine noch größere Herausforderung für den Körper. Auf der anderen Seite des Sees sei Eis, wirft ein Umstehender ein. Macht nichts, kennen die beiden schon aus dem vorigen Jahr, da schürft man sich ein bisschen die Haut, alles nicht schlimm. Sie schwimmen auch am Sonntag, obwohl das eigentlich vom Veranstalter nicht gewünscht ist.
Mit 15 Männern und Frauen ist das THW aus Dessau und Bitterfeld-Wolfen angereist. Die Fahrer sind vom Eisbaden freigestellt. „Die sollen lenken, nicht zittern“, feixt Florian Bittner, der sich als Pressesprecher vom THW Dessau vorstellt.

Heese und Schmidt, die beiden Organisatoren, haben seit der Erstauflage das Marketing erheblich professionalisiert, bespielen auch Social-Media-Kanäle mit Videos. Bei einigen Drehs hat ihnen Sebastian Köhler von Reframe geholfen. Während die Protagonisten in Badesachen im Wasser standen, trug er eine Wathose. „Hat ja eine Weile gedauert. Aber danach bin ich ohne rein.“ In einem der Videos stimmen die beiden einen eigenen Song an: „Sag, bist du dabei.“ Am Sonntag präsentieren sie ihn erstmals live – und danach heißt es: ausziehen.
Für die etwa 50 Neulinge hat zuvor eine Frau Tipps gegeben: „Reingehen. Reingehen, reingehen, nicht nachdenken, euer Körper kann das.“ Und bitte bis ins brusttiefe Wasser, „sonst weiß euer Körper nicht, was er machen soll“. An Land könne man noch mal ins Frieren kommen, aber für den Rest des Tages „wird euch so warm, wie noch nie in eurem Leben“.
Gegen 11 Uhr gehen 300 Wagemutige in den kalten Kühnauer See
Gegen elf Uhr beginnt der Countdown, und dann schiebt sich der Pulk von über 300 Menschen ins Wasser, die Regel „reingehen, reingehen, reingehen“ befolgend. Nach einer Minute kommen einzelne heraus, denn auch das wurde gesagt: Es geht nicht um Rekorde, nicht darum, irgendjemandem irgendwas zu beweisen, sondern dabei zu sein. Selbst nach zehn Minuten stehen noch etwa 50 Leute im Wasser – die meisten mit verschränkten Händen über dem Kopf. Zurück an Land werden die meisten Teilnehmer von Freunden oder Verwandten empfangen – mit Respekt und wohl auch Bewunderung.