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Forstwirtschaft Forstwirtschaft: «Unbelehrbarer» im Traumberuf

Von Silvia Bürkmann 30.12.2002, 16:40

Hundeluft/MZ. - "Oberförster - ja, das wollte ich werden, von Kindesbeinen an." Der das bekennt, sitzt heute im Forstamt Hundeluft im Chefzimmer. Vor sich den alteichenen, altehrwürdigen Tisch. Antik poliert und umringt von hohen Lehnstühlen mit vernieteten Lederpolstern. Eine "Tafelrunde" für den Report der acht Revierförster? Der Mann an der Stirnseite des Tisches lächelt: "Sieht gut aus, nicht? Und die Dienstberatungen machen wir tatsächlich hier."

Im April 2002 wechselte der 43-Jährige aus dem Nachbarforstamt Nedlitz über ins neu strukturierte Forstamt Hundeluft. Den Kindertraum vom Oberförster hat sich der gebürtige Mecklenburger in den Flämingwäldern verwirklicht. Mit Hartnäckigkeit und - wie er weiß - auch mit dem Glück, zur rechten Zeit am rechten Fleck gewesen zu sein. Nach dem Abitur und Armeedienst trug sich Detlef Radtke ein in die Matrikel der angehenden Diplomforstingenieure der Technischen Universität Dresden, Sektion Forstwirtschaft in Tharandt.

Zu DDR-Zeiten Förster werden zu wollen, war eine Sache für Idealisten, glaubt Radtke und hat noch die wohlmeinenden oder abwertenden Sprüche im Ohr: "Da verdienst Du kein Geld." Nach dem Studium wechselte der "Unbelehrbare" 1986 dennoch auf die in der Absolventenvermittlung angebotene Stelle im staatlichen Forstwirtschaftsbetrieb Güstrow. Der Traumjob? Nein, das dann nicht. "Keine Rede vom Außendienst. Das war Schreibtischarbeit in der Abteilung Wissenschaft und Technik; von manchen bespöttelt als ,Abteilung Wünsche und Träume'."

Detlef Radtke macht die Arbeit, klaglos. Hält dennoch fest an seinem Traum, hört und schaut sich sogleich um nach einer Stelle, die seinen persönlichen Neigungen mehr entspricht als die prognostizierte 20-jährige Warteschleife auf ein Forstrevier. Nach einem halben Jahr schon zeigt sich eine Gelegenheit... und Radtke ergreift sie beim Schopfe: Der Forstbetrieb Zerbst, mit Sitz in Nedlitz, braucht einen Mitarbeiter in der Produktionsvorbereitung. Und der tief heimatverbundene Mecklenburger Spross tauscht die Kiefernwälder der glazialen Talsanderflächen gegen die Eichen-, Buchen- und Kiefernwälder der Endmoränenzüge des Flämings: Am 1. Oktober 1986 beginnt Radtkes zweite Lehrzeit im Nedlitzer Wald.

Der alte Oberförster Dr. h.c. Siegfried Mehlitz. nimmt den wissbegierigen Absolventen und Neuling unter seine Fittiche. Und nach anderthalb Jahren der Einarbeitung erfüllt sich ein Traum. Detlef Radtke folgt Dr. S. Mehlitz... und übernimmt im Juli 1988 die Oberförsterei Nedlitz.

Der Zeitenwende in der deutschen Geschichte folgt ein Reigen der Strukturreformen unter den Dächern der Baumkronen. Die Oberförsterei Nedlitz des Forstbetriebes Zerbst wird zum Forstamt Nedlitz (1992); im Land Sachsen-Anhalt werden Eigentumsverhältnisse und Strukturen in den Wäldern neu geordnet. 1997 werden aus 68 Staatlichen Forstämtern 46 neu zugeschnitten; diese 46 zum April 2002 noch einmal auf 24 konzentriert. So entstand das jetzige Forstamt Hundeluft aus Teilen der ehemaligen Forstämter Coswig, Wörlitz, Nedlitz, Hundeluft und Wittenberg.

Der Wechsel von Nedlitz nach Hundeluft fiel Detlef Radtke im Grundsatz nicht schwer: Er kennt die Wälder mit ihren Standorten und den typischen Waldgesellschaften. Wie aus der Pistole referiert ein sonst eher reserviert-ernster Forstamtsleiter über die Rotbuchentraubeneichenwaldgesellschaft, entzündet ein temperamentvolles Datenfeuerwerk über anteilige Bodenpflanzen von Hainrispengras, Sauerklee oder Blaubeeren; je nach Nährkraft und Wasserversorgung der Böden, um zufrieden zu schließen: "Die Flämingwälder sind schön."

Im Detail indes vor eine gänzlich neue Herausforderung gestellt sieht sich der Forstamtsleiter durch die Auenwälder, die über das Revier Wörlitz jetzt zu seinem Hoheitsgebiet gehören. Diese einmalige schöne Natur- und Kulturlandschaft in unmittelbarer Nähe des "Dessau-Wörlitzer Gartenreiches" forstlich zu bewirtschaften, so dass auch hier das Schöne mit dem Nützlichen verbunden wird, ist für Detlef Radtke eine "äußerst interessante und verantwortungsvolle Aufgabe." Nicht die Ressourcen der Natur ausschließlich zu verbrauchen, sondern die Bedürfnisse der menschlichen Gesellschaft mit den naturräumlichen Gegebenheiten zu harmonisieren und dabei die natürliche Schönheit und Artenvielfalt unseres Lebensraumes noch zu mehren - hier spricht aus Detlef Radtke ein überzeugtes Stück von "Zurück zur Natur" - Rousseau und "Vater Franz".

Oder, wenn der Forstmann und Landesbeamte spricht, dann von der "Überführung der vorhandenen Wälder in naturnahe, standortgerechte, ungleichaltrige Mischwälder" , die gekennzeichnet sind von "kahlschlaglosen Dauerwaldstrukturen, in denen das Holz permanent einzelstammweise geerntet wird."

Nutz-, Schutz- und Erholungsfunktion eines schönen Waldes weiter zu verbessern, darin sieht Detlef Radtke seinen Auftrag. Die sensiblen naturfachlichen Entscheidungen machen für den Forstamtsleiter von Hundeluft und seine Revierförster-"Tafelrunde" eine enge Zusammenarbeit unverzichtbar mit der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz, der Biosphärenreservatsverwaltung "Flusslandschaft Mittlere Elbe" und den Jägerschaften zur Reduzierung überhöhter Wildbestände.

Eine sehr schöne Lebensaufgabe, wie der Forstamtsleiter sagt. Für die er mit Ehefrau Evelyn in das Forsthaus Nedlitz zog und für die er tagtäglich dort ist, wo er immer sein wollte: Im Wald.