Es geht um die Wurst Fleischer in Dessau-Roßlau und Umgebung: Der Kampf der Fleischermeister gegen die Discounter

Dessau-Roßlau - Fleischerläden, in denen der Meister noch selbst hinter der Theke steht, findet man in Dessau-Roßlau und den umliegenden Städten und Gemeinden nur noch wenige.
Gerade vier solcher Meisterbetriebe gibt es in der Doppelstadt, 174 waren es 2016 im gesamten Kammerbezirk Halle. Deren Zahl lag im Jahr 2000 mit 320 fast doppelt so hoch. „Im Fleischerhandwerk stehen die Betriebe vor der Herausforderung, den Wettbewerb mit Großproduzenten und Handel zu meistern.
Mit NIschenprodukten gegen Massenware und Billigpreise
Leider gelingt das nicht immer“, beschreibt Thomas Keindorf, Präsident der Handwerkskammer die Situation. Was im Klartext heißt, gegen Massenware und Billigpreise ankämpfen zu müssen.
Das wiederum gelinge nur, denkt der Fachbereichsleiter Handwerkspolitik der Kammer, Jens Schumann, „mit einer Nischenproduktion und Spezialitäten“.
Ein Luther-Schinken ist die neueste Kreation von Fleischermeister Klaus-Dieter Kohlmann. Dieser reiht sich ein in die Reihe anderer Spezialitäten wie der Salegaster Schlanke oder Greppiner Nackje.
„Man muss Ideen haben, etwas Besonderes anbieten, sonst wird es gar nichts“, so die Erfahrung des Obermeisters der Fleischerinnung Bitterfeld, zu der regional die Landkreise Anhalt-Bitterfeld, Wittenberg und die Stadt Dessau-Roßlau gehören.
Die Hälfte der heutigen Fleischerei-Inhaber im Land sind um die 60
Zwei Fleischereien gibt es in Greppin von ehemals neun. Die Fleischerei Kohlmann ist eine davon, sie existiert seit 1900. Der heutige Landesinnungsmeister Klaus-Dieter Kohlmann führt das Geschäft in dritter Generation. Und wird der letzte in der Familientradition sein. Denn die Kinder des 60-Jährigen haben beruflich einen anderen Weg eingeschlagen.
Einen Nachfolger für das Geschäft zu finden, wird schwer, weiß Kohlmann und beginnt deshalb schon jetzt langsam mit der Suche. Denn er weiß auch, „die Rahmenbedingungen für die Übernahme eines Betriebes sind denkbar schlecht“. Und die Hälfte der heutigen Inhaber sind um die 60.
„Das Handwerk hat in der Politik überhaupt keinen Stellenwert mehr“
Thomas Hecklau ist einer der vier Meisterbetriebe, die für Dessau-Roßlau auf der Liste der Handwerkskammer stehen. Beim Thema Politik winkt Hecklau ab. „Wenn sich die nicht ändert, dann sind wir bald noch weniger“, ist er überzeugt und beklagt, dass das Handwerk überhaupt keinen Stellenwert mehr habe. Der sprichwörtliche goldene Boden sei schon lange nur noch ein Witz.
Was Klaus-Dieter Kohlmann mit Nachdruck bestätigt. „Das Handwerk, nicht nur unseres, hat keine berufliche Zukunft, es wird überhaupt nicht beworben und spielt einfach keine Rolle mehr.“
Veraltete Werbefilme in der Berufsorientierung der Arbeitsagentur seien nur ein Beispiel für das Schattendasein ihres Berufes. „Aber auch unser Beruf hat sich gewandelt, es ist nicht mehr der blutverschmierte Schlachter.“
Die Kunden könnten regionalen Kreisläufe und die regionale Wirtschaft insgesamt stärken
Seit 1995 betreibt Thomas Hecklau sein Geschäft in der Kreuzbergstraße. Vorher war der 53-Jährige ab 1989 in Halle als selbstständiger Fleischer tätig. „Die Zeiten jetzt sind schlecht“, sagt er. Und schöpft doch ein bisschen Hoffnung. Denn seit anderthalb Jahren etwa laufe es ein bisschen besser. „Ich habe größeren Zuspruch“, freut er sich. Offensichtlich überzeugten die Qualität der Produkte aus eigener Herstellung die Leute doch.
Davon ist auch Klaus-Dieter Kohlmann überzeugt. Doch der Landesinnungsmeister weiß auch, dass die Konkurrenz der Billigprodukte in den Supermärkten riesig ist. „Das macht es uns sehr schwer, die Kunden von unserer Arbeit zu überzeugen“. Dabei würden sie mit ihrer Handwerks-Philosophie der regionalen Kreisläufe die regionale Wirtschaft insgesamt stärken und am Ende auch die Ortschaften beleben.
Gerade einmal zwei Lehrlinge erlernten 2016 in Dessau-Roßlau den Beruf des Fleischers.
Dem Übermaß der Massenware Paroli zu bieten, fällt den kleinen Meisterbetrieben schwer. „Aber viele Kollegen verstecken sich, wir müssen mehr klappern“, ruft Kohlmann seine Mitstreiter zur Gegenwehr auf. Und hat dabei auch die Arbeit in der Innung im Blick. Gerade acht Betriebe sind in der hiesigen organisiert.
Im Gesamtverband des Fleischerhandwerks gehe man diese jetzt massiv an, sagt Kohlmann. „Wir brauchen dringend eine Kehrtwende in der Politik, sonst sind in fünf Jahren die letzten Meisterbetriebe auch noch verschwunden. Es ist nicht fünf vor, sondern fünf nach zwölf!“
Was in einer Zahl besonders eindrucksvoll bestätigt wird: Gerade einmal zwei Lehrlinge erlernten 2016 in Dessau-Roßlau den Beruf des Fleischers. Im gesamten Kammerbezirk sind es 31. Im Vergleich: Vor zehn Jahren waren es noch 204 junge Menschen, die Fleischer werden wollten. (mz)