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"Eine einmalige Chance" "Eine einmalige Chance": Dessau-Roßlaus OB Peter Kuras blickt im Neujahrsinterview auf das Bauhausjubiläum

02.01.2019, 09:49
OB Peter Kuras sieht das Bauhausjubiläum als Auftakt für eine weitere Entwicklung der Stadt.
OB Peter Kuras sieht das Bauhausjubiläum als Auftakt für eine weitere Entwicklung der Stadt. Thomas Ruttke

Dessau-Roßlau - Das vergangenen Jahr war kein einfaches für Dessau-Roßlaus Oberbürgermeister Peter Kuras. Anfang Juni war er schwer erkrankt, erst im November kehrte er wieder ins Amt zurück. Für die Stadt war 2018 ein Jahr mit großen Bauprojekten: das Sportbad ist eröffnet, die Kavalierstraße ist freigegeben - andere, wie die Umgestaltung des Busbahnhofs und der Ausbau des Roßlauer Hafens, laufen noch.

Der Fokus liegt nun auf dem kommenden Jahr: Das Bauhausjubiläum steht bevor, es soll Höhepunkt und Auftakt für eine weitere Entwicklung der Stadt werden. Im Interview mit MZ-Redakteurin Lisa Garn spricht Kuras über eine einmalige Chance, Hoffnung auf einen Entwicklungsschub und was vom Ruhm nach 2019 bleiben kann.

Das Jahr 2018 war für Sie persönlich schwierig. Wie blicken Sie auf die vergangenen Monate?
Peter Kuras: Die letzten Monate waren nicht ganz einfach für mich. Ich war 2018 leider nicht vom Glück verfolgt. Und ich bin auch noch nicht zu 100 Prozent wieder hergestellt, aber einen großen Schritt weiter als noch im Sommer. Es ist noch ein Stück Weg. Deshalb kann ich auch nicht alle Termine wahrnehmen, wofür ich um Verständnis bitte. Ich muss noch etwas vorsichtig sein.

Sind Sie das auch?
Peter Kuras: Ich achte natürlich auf mich, auch meine Familie macht das. Aber man kann ja auch kein anderer Mensch werden. Insofern: Ja, ich sollte vielleicht das eine oder andere Mal noch kürzer treten. Aber es hat mir auch in den Fingern gekribbelt, wieder ins Rathaus zurück zu kehren. Und es macht mir auch Spaß. Nun muss ich noch vollständig gesund werden und mein altes Leistungsvermögen abrufen können.

Dessau steht beim Bauhausjubiläum besonders im Mittelpunkt

Ein Blick nach vorn: 2019 soll das große Jahr für Dessau-Roßlau werden. Das Bauhausjubiläum wird gefeiert, Millionen wurden und werden verbaut, die Imagekampagne soll die Stadt neu vermarkten. Was erwarten Sie vom Jubiläum?
Peter Kuras: Es bietet die einmalige Chance, in den Mittelpunkt des Interesses zu gelangen. Der Blick der Weltöffentlichkeit ist auf unsere Stadt gerichtet. Da ist es nur logisch, dass wir uns als Stadt präsentieren und investieren. Wir sind für die Infrastruktur zuständig, unter anderem Kavalierstraße, Elballee und Bahnhofsvorplatz sind saniert und aufgewertet worden. Unsere inhaltliche Aufgabe ist es aber auch, Besuchern und auch den Einwohnern den Bauhaus-Gedanken näher zu bringen.

Manchem ist das Bauhaus ja zu elitär, zu abstrakt. Es wird bemängelt, dass sich die Design-Schule der Moderne vor allem an ein intellektuelles Publikum wenden will. Zu Recht?
Peter Kuras: Es ist nicht immer leichte Kost, das Programm ist zum Teil auch sehr speziell. Aber das war damals schon so: Das Bauhaus und die Dessauer standen sich immer schon teilweise kritisch gegenüber. Und ja: Ansichten und Architekturstil gefallen nicht jedem. Viele sind aber auch stolz, denn das Bauhaus hat einen sehr experimentellen Ansatz mit Weltbedeutung geschaffen.

Wir müssen jetzt als Stadt die Bindung festigen. Dafür haben wir als Stadt zwei besondere Programmpunkte: die Freiraumausstellung ,Unsichtbare Orte’, die zu Stationen in die 1920er Jahre führt, und ,Passagen’, bei denen auf dem Weg zwischen Bauhaus und Innenstadt Objekte installiert werden. Das sind Dinge, die man anfassen, über die man nachdenken kann.

Gibt es eigentlich noch andere Themen oder dreht sich alles um das Welterbe?
Peter Kuras: Wir übertreiben das schon nicht, das Reformationsjubiläum hatte zum Beispiel zehn Jahre Vorlauf. Es ist doch aber klar, dass der Fokus 2019 nun einmal auf dem Bauhaus liegen muss. Überall auf der Welt wird das Jubiläum gefeiert, aber Dessau steht besonders im Mittelpunkt - weil es hier die meisten Original-Bauhausbauten gibt. Es war eine der Glanzperioden - neben Reformation und Aufklärung -, die Dessau erlebt hat.

Damals ist die Stadt, auch durch die Junkerswerke, gegen den Reichstrend stark gewachsen. Diesen Glanz wollen wir zeigen. Und es gibt ja noch andere Dinge: Das Georgium wird baulich fertiggestellt, damit können wir einen Spannungsbogen zwischen Moderne und Alten Meistern schaffen. Der Hafenausbau in Roßlau geht 2019 weiter, das größte Infrastrukturprojekt in der Stadt. Der Neubau der Synagoge rückt in greifbare Nähe.

Welche Botschaft hat Dessau 2019 an Gäste und Einwohner?
Peter Kuras: Ohne Dessau gäbe es kein Bauhauserbe - darunter geht es nicht. Von hier aus wurde die Bauweise der Welt revolutioniert. Wir werden Gastgeber für internationale und nationale architekturbegeisterte Menschen sein. Und darauf sollten wir stolz sein. Auch die Dessau-Roßlauer können mehr Selbstbewusstsein zeigen. Ich wünsche mir, dass sich die Bürger als gute Gastgeber präsentieren – dass sie aufmerksamer durch die Stadt gehen, um ein Gefühl für eine der Glanzzeiten zu bekommen. Und dass sie sich mehr für das Bauhaus und seine Geschichte interessieren, mehr wissen.

Sind Sie Fan von der Designschule?
Peter Kuras: Ja! Ich bin mit dem Bauhaus groß geworden. Bis ich 18 war, habe ich mit meinen Eltern am Dreieck 1 - Konsumgebäude - gewohnt, einem Haus, das Gropius entworfen hat. Zu DDR-Zeiten haben viele Menschen geklingelt und wollten die Wohnung sehen. Was die Stasi aufmerken ließ, weil auch Besucher aus West-Berlin dabei waren. Für mich ist der Ansatz des Bauhauses spannend. Es gründete sich, weil die Mitstreiter nach dem Ersten Weltkrieg die Nase voll hatten von der Pickelhauben-Zeit. Es war ein Aufbruch in die Moderne. Sie wollten einen neuen Menschen, das hat sich in erster Linie über Kunst und Architektur geäußert. Es ging um einen ganzheitlichen Ansatz, um unkonventionelle Wege, auch in der Art des Zusammenlebens.

Kann das Bauhausjubiläum Dessau auch über 2019 hinaus positive Effekte bringen?

Sehen Sie das Bauhaus als unpolitischen Ort? Das hatte die Stiftung behauptet, als sie das Konzert der Punkband „Feine Sahne Fischfilet“ absagte.
Peter Kuras: Man muss die Entscheidung der Stiftungsdirektorin akzeptieren und ich kann sie auch verstehen. Trotzdem sollte sich das Bauhaus als politischer Ort der Diskussion verstehen. Auch wenn die Bauhäusler nicht in erster Linie politisch wirken wollten, aber ihr Aufbruch, ihre neue Haltung sind natürlich ein grundsätzliches Statement mit politischer Dimension. Dem muss sich auch das Bauhaus heute stellen - deshalb begrüße ich den neuen Dialog mit der Bevölkerung über die eigene Rolle und das Selbstverständnis. Ich wünsche mir, dass sich die Stiftung stärker in das gesellschaftliche Leben einmischt. Das kam bisher etwas zu kurz.

Es gibt ein umfangreiches Programm von Stiftung Bauhaus, Stadt und Stadtmarketinggesellschaft. Was sind die Höhepunkte?
Peter Kuras: Überall in der Stadt wird etwas los sein. Die Stiftung plant drei internationale Themenfestivals. Im Fokus von „Schule-Fundamental“, „Architektur - Radikal“ und „Bühne-Total“ steht die künstlerisch-wissenschaftliche Auseinandersetzung, Besucher sollen dabei das Bauhaus als Experimentierfeld entdecken.

Die Stadtmarketinggesellschaft macht ein 100-Tage-Programm bis zur Eröffnung des Bauhausmuseums. Jeden Tag wird es eine besondere Veranstaltung geben. Darunter „100 Tische“, bei der 100 weiß gedeckte Tische aufgestellt werden. Das Anhaltische Theater baut eine Raumbühne nach dem Vorbild von Gropius- Entwürfen. Das Werkleitz-Festival 2019 zum Thema Modell und Ruine findet statt, bei dem Künstler an mehreren Orten Werke schaffen und präsentieren.

Wittenberg feierte 2017 mit dem Luther-Jahr 500 Jahre Reformation - aber es gab keinen Schwung für die Zeit danach. Wie kann das Jubiläum Dessau über die Zeit der Feierlichkeiten hinaus positive Effekte bringen?
Peter Kuras: Wittenberg bekam viel mehr Geld als wir, es wurden etliche Bauten für viele Millionen saniert. Aber nach dem Jubiläum wurde der Leerstand in der Innenstadt sichtbar. Das ist für uns nicht zu erwarten: Weil wir nicht diesen großen Leerstand haben und sich unsere Innenstadt entwickelt. Durch das neue Museum, die neue Kavalierstraße und die Sanierung von Wohnblöcken entstehen 1-A-Immobilienlagen.

Wir merken schon jetzt, dass das Zentrum attraktiver für Investoren geworden ist: Am Schloßplatz entsteht ein neues Hotel, der ehemalige Kristallpalast wird ein Wohn- und Geschäftshaus... Und wir erwarten, dass noch mehr Unternehmen investieren wollen. Dafür werden wir aktiv auf sie zugehen. Anfang 2019 gibt es ein Immobiliengespräch, etwa 50 Investoren kommen. Thema des Treffens: Dessau als Geheimtipp im Bauhausjahr.

Was ist das Ziel für die Jahre nach 2019?
Peter Kuras: Das Jubiläum muss als Höhepunkt und Auftakt für einen neuen Aufbruch genutzt werden. Auch, um das Image und das Selbstbewusstsein unserer Stadt weiter zu verbessern. Die Besucher- und Übernachtungszahlen sollen weiter steigen, die Innenstadt belebt und weiter entwickelt werden. Deshalb entsteht das Museum auch in der Innenstadt. Das Gesicht des Zentrums hat sich bereits verändert und wird sich weiter verändern. Und 2026 gibt es ein nächstes Jubiläum: 100 Jahre Bauhaus Dessau. (mz)

Einwohnerentwicklung

Aktuell leben 81.847 Menschen in der Stadt (Stichtag 30. November). Im Jahr 2018 hat Dessau-Roßlau 664 Einwohner verloren (2017 waren es 254 Einwohner). Der Wanderungssaldo - das ist die Differenz zwischen Zuzügen und Wegzügen - liegt bei einem Plus von 72 Einwohnern. Nach wie vor negativ ist aber die Geburten- und Sterberate: minus 736 Einwohner. Der Ausländeranteil beträgt 5,7 Prozent (2017 waren es 5,5 Prozent)

Bauprojekte

Rathaus: Die Sanierung der Turmfassade ist beendet. Die Kosten belaufen sich auf 465.000 Euro. Die Sanierung im Rathausinneren soll 2019 beginnen, der erste Bauabschnitt mit Ratssaal, Flure und Toiletten kostet 2,1 Millionen Euro.

Kavalierstraße: Der Umbau der Straße ist im Dezember abgeschlossen worden, es folgen noch Restarbeiten bis April 2019. Die Gesamtkosten liegen bei 14,4 Millionen Euro, der Anteil der Stadt liegt bei acht Millionen Euro.

Sportbad Dessau: Die neue Schwimmhalle in der Helmut-Kohl-Straße wurde im Juni eröffnet. Etwa elf Millionen Euro kostete der Bau.

Breitbandausbau: Mit Stand von Anfang Dezember wurden etwa 38 Kilometer der Trasse von insgesamt 65 Kilometern fertiggestellt. Ziel ist der Ausbau in elf unterversorgten Stadtteilen und 19 Gewerbestandorten der Stadt. Die Fertigstellung ist für Juli 2019 geplant.

Industriehafen Roßlau: Es gibt nach vielen Querelen bei den Planungen und Verzögerungen einen erneuerten Maßnahmebeschluss. Kosten für den Ausbau zu einem trimodalen Logistikzentrum: 17 Millionen Euro. Das Zuführungsgleis im Bereich DHW Rodleben ist weitgehend abgeschlossen, ab Februar soll ein Anschlussgleis, ab Juni die Kaimauer gebaut werden.

Anhaltische Gemäldegalerie: Im Dezember 2019 soll das Schloss Georgium baulich fertiggestellt sein. Bis zum Frühsommer 2020 ist die Einrichtung der Ausstellung geplant. Gesamtkosten: 13 Millionen Euro.

Busbahnhof: Im Zuge des Ausbaus zur Schnittstelle für den Öffentlichen Personennahverkehr sind bereits Bahnsteige mit Überdachung entstanden. Bis April 2019 soll der Bau beendet sein. Kosten: 4,25 Millionen Euro.