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Ein Wasserturm quasi gratis dazu

Von Helmut Dawal 11.05.2005, 20:10

Köthen/MZ. - Bettina Meerwalds Geschichte begann mit der Suche nach einem eigenen Dach über den Kopf. Sie wohnte in Aken in einer Mietswohnung, die für die Familie aber zu klein war. Eines Tages hielt ihr damaliger Mann eine Zeitungsanzeige in der Hand. Darin bot die Deutsche Bahn AG eine Immobilie am Holländer Weg an. Die erste Besichtigung des Hauses, das im Jahre 1919 als Sozialgebäude für Lokführer errichtet wurde, war nicht sonderlich ermutigend. "Alles war ziemlich verwahrlost, es lag Müll herum. Und es gab Anzeichen dafür, dass das Haus auch von Obdachlosen genutzt wurde", erinnerte sich die 26-Jährige. Letztlich aber fiel die Entscheidung für das Anwesen, weil es viel Platz für die Familie bot und weil der Kaufpreis gering war.

Im Juli 2002 erfolgte der Einzug. Zuvor freilich gab es viel Arbeit - beim Entrümpeln, beim Erneuern der Strom- und Wasserleitungen, beim schrittweisen Renovieren der Zimmer, beim Einbau neuer Türen und Fenster und anderem mehr.

Bettina Meerwald und ihre Tochter fühlen sich heute wohl in ihrem neuen Zuhause, das nicht unbedingt jedermanns Geschmack sein dürfte. Denn auf der einen Seite des Hauses rollt der Verkehr auf der B 183 und auf der anderen Seite reicht der Blick über die Gleise bis zum Köthener Bahnhof. An den Zugverkehr, so die gelernte Rettungsassistentin, habe sie sich gewöhnt. Und auch daran, dass in den Zügen Vorbeifahrende immer einen kleinen Blick in den Alltag einer Familie werfen können, sei es beim Wäscheaufhängen, beim Rasenmähen oder bei der Grillfete.

"Wir haben hier keine Nachbarn. Wir können auch mal etwas Krach machen und stören dabei niemanden", nannte Bettina Meerwald einen Vorzug, den manch anderer Hausbesitzer nicht hat. Das frühere Eisenbahnerhaus ist so groß, dass auch Bettina Meerwalds Mutter Angelika Shabani mit ihrer Familie eine Etage bezog. Frau Shabani ist von dem Wasserturm besonders angetan.

Sie hat bereits viele Informationen zur Geschichte dieses Bauwerkes zusammengetragen, das für die Stadt Köthen nach amtlicher Aussage ein "wichtiges verkehrs- und technikgeschichtliches Zeugnis" darstellt. "Dementsprechend wollen wir dieses Denkmal pflegen und es schrittweise herrichten, so wie es uns finanziell möglich ist", sagte die 53-Jährige, die vor ihrem Umzug nach Köthen in Dessau lebte.

Ideen zum Ausbau des Wasserturms, aus dem früher die Dampfloks mit Wasser gespeist wurden, hat die Mediengestalterin und künstlerisch ambitionierte Frau einige. Ein Museum könnte sie sich vorstellen, eine Galerie ebenso.

Diese Gedanken sind aber mehr theoretischer Natur, weil dann nach ihren Recherchen solche Dinge wie Fahrstuhl und Fluchtweg geschaffen werden müssten, was kaum bezahlbar sei. Eher im Bereich des Möglichen scheint, auf den drei Etagen des Turms eine kleine Wohnung einzurichten. Ihr 19-jähriger Sohn Sebastian liebäugelt mit diesem Gedanken.

Inzwischen ist Angelika Shabani Mitglied der im September 2002 gegründeten "Deutsch Internationalen Wasserturm Gesellschaft" geworden. Hier hat sie Menschen gefunden, die sich mit Wassertürmen beschäftigen und deren Ziel es ist, diese Bauwerke zu erhalten.