1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Dessau-Roßlau
  6. >
  7. Ein Urlaubstag für 15 Euro: Ein Urlaubstag für 15 Euro: Ein weiter Rund-Blick ins Coswiger Land

Ein Urlaubstag für 15 Euro Ein Urlaubstag für 15 Euro: Ein weiter Rund-Blick ins Coswiger Land

Von Steffen Drenkelfuss 12.07.2002, 19:00

Coswig/MZ. - Bei leicht aufgeheitertem Himmel und angenehmen Temperaturen - ein wichtiger Aspekt, sollte es zum Abschluss einen Nachmittag im Flämingbad geben - begannen kurz nach zehn Uhr die bestens organisierten Führungen. Mit viel Engagement informierten Mitarbeiter der Kirche, Freunde des Förderkreises "Sankt Nicolai" und der ehemalige Gemeindepfarrer als Sachkundige die ihnen aufmerksam zuhörenden Kirchenbesucher.

Was nicht alles zu erfahren war. Die Geschichte der Kirche als ein ewiger Wandel zwischen ihrer Gründung, Umwidmung und Zerstörung, Wiederaufbau, Verfall und heutiger Sanierung - kurzweilig und oft verblüffend. Führten in der Kirche Ex-Pfarrer Hans-Günther Lindemann und drei Kirchenführerinnen, Christa Kölling, Silke Klaus und Antje Bahlmann, ihre Zuhörer-Gruppen, dann übernahm der agile Coswiger und derzeit bei der Gemeinde im Rahmen einer Strukturanpassungsmaßnahme beschäftigte Harald Köbel die schweißtreibende Aufgabe, mit den besonders Mutigen den Glockenturm zu erklimmen. "Schon als Kind bin ich hier oben gewesen", erinnert sich der einst im Chemiewerk Coswig tätige Bauingenieur. Während des Aufstiegs über 130 ausgetretene Stufen erzählt er seinen Zuhörern, dass schon sein Vater mit der Kirche zu tun hatte. "Einst hatte mein Vater, ein Dachdecker, den Kirchturm neu eingedeckt", bemerkt er. Oben auf dem Turmfreitritt weitet sich der Blick. Weit kann man ins Land schauen. Man erkennt die Kirchturmspitzen von Wittenberg, sieht das Schloss zu Wörlitz und auch die Baggermonster in Ferropolis zeichnen sich am Horizont ab.

Derweil unten in der Kirche erfahren die Kurzurlauber, dass sich in der Kirche "drei echte Gemälde aus der Werkstatt von Lucas Cranach befinden." Darunter eines mit einem stilisierten Abendmal. Man erkennt Lucas Cranach den Älteren und Cranach den Jüngeren, den bei Tische sitzenden Reformator Martin Luther und Jesus in einer untypischen Bildkomposition an der Stirnseite sitzend. Ein Bilderschatz ohnegleichen. Die Zuhörer sind beeindruckt.

Der Kirchenführerin Silke Klaus liegt ein anderes Detail sehr am Herzen. "Dort rechts, die Grabplatte neben dem Altar ist hochinteressant. Darunter in der Krypta liegt der Herr Magister Johann Rudolph Cnuppius begraben. Er hat seinerzeit - er lebte von 1646 bis 1697 - im Jahr 1686 den ersten Gesangsverein Deutschlands gegründet." So reihten sich wissenswerte Kulturgeschichte und liebenswerte Anekdoten aneinander und nahmen für das altehrwürdige Gotteshaus ein, das im Rahmen des von Bund und Land geförderten Projektes "Kirche des Jahres 2002" derzeit mit hohem finanziellen Aufwand und traditionellen Handwerksmethoden saniert wird.

Aber auch die Regionalgeschichte kam nicht zu kurz. Der Leiter des Heimatmuseums Coswig Karl Schmidt empfing mit seinen Mitarbeitern die Wissensdurstigen und weihte sie in Besonderheiten des Coswiger Lebens, dass immer ein Leben an, mit und auf der Elbe war, ein. "Ganz besonders freue ich mich, dass wir die Fotoausstellung "Feuer und Eis" des Künstlers Franz Lazi präsentieren können." Den Besuchern war es anzumerken, das opulente Bilderwerk, welches aus dem Kontrast von Feuer speienden Vulkan und der kristallinen Welt des Antarktis-Eises schöpft, regte zum Assoziieren an.

Spätestens nach dem Museumsbesuch regte sich noch etwas - der Hunger. Mit launigen Sprüchen lud Gulaschkanonier Martin Wallwitz ans Ess-Geschütz. "Erbsensuppe, Kartoffelsuppe, Gräupchen - dazu ein Wiener und ''ne Fassbrause. Sie haben die Wahl." Egal, was man wählte, es schmeckte Klasse. Das sah auch Familie Völker aus Halle so. "Wir verbringen mit unseren Kindern einen schönen Tag hier. Das Essen ist ausgezeichnet, die Führungen toll und jetzt noch ins Flämingbad - uns hat es gefallen", Peter Völker schaut Frau und Kinder an. Die nicken zustimmend, der Weg hat sich gelohnt.