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Ehrung für Filmvorführer Helmut Göldner Ehrung für Filmvorführer Helmut Göldner: Ausflug auf dem roten Teppich

Von Torsten Adam 05.03.2016, 10:53
Helmut Göldner ist seit  mittlerweile 56 Jahren Filmvorführer. Der 71-Jährige ist jetzt für sein Lebenswerk ausgezeichnet worden.
Helmut Göldner ist seit  mittlerweile 56 Jahren Filmvorführer. Der 71-Jährige ist jetzt für sein Lebenswerk ausgezeichnet worden. Foto: Archiv Lutz Sebastian

Dessau/Berlin - Die Überraschung ist mehr als filmreif: Unter dem Vorwand, eine Dokumentation über seine Arbeit zu drehen und nach Berlin zu einem Filmverleiher zu fahren, wird Helmut Göldner daheim abgeholt. Als der Wagen vor einem Kaufhaus der Bundeshauptstadt hält und ihm plötzlich sein Lieblingsschauspieler Gojko Mitic gegenübersteht, ist der 71-Jährige sprachlos. Aber es kommt noch besser:  Der „Leinwand-Indianer“ entführt ihn später auf den roten Teppich der 66. Berlinale im Theater am Potsdamer Platz.

Der Besuch bei Deutschlands bekanntesten Filmfestspielen ist ein Dankeschön an Sachsen-Anhalts ältesten Filmvorführer. Seit seinem 15. Lebensjahr reist Göldner mit seiner mobilen Filmanlage über die Dörfer und bringt Kino auf die Leinwand. Im Dessauer Stadtpark ist er seit Jahren eine Institution  beim Open-Air-Kino. Das Kreditkarten-Unternehmen MasterCard hat ihn nun  mit dem erstmals vergebenen „Award for Culture & Art“ (zu deutsch: „Preis für Kultur und Kunst“) für sein Lebenswerk geehrt.

Begrüßt wie ein Schauspieler

„Ich war ganz verdattert, als Gojko Mitic die Autotür öffnete und mich mit Vornamen ansprach“, erinnert sich Helmut Göldner an jenen 12. Februar. Er wird danach im Kaufhaus neu eingekleidet,  draußen wartet eine schicke Limousine auf den Mann im schwarzen Smoking, der eine rote Fliege über dem weißen Hemd trägt. Wohin die Reise geht, ahnt der 71-Jährige  aus Sieglitz bei Gröbzig da noch immer nicht. Zunächst zeigt ihm der „Winnetou des Ostens“, wie Gojko Mitic als Held zahlreicher DEFA-Indianerfilme oft genannt wird, sein Haus.

„Ich war überrascht, wie bodenständig er ist“, sagt  Göldner. Anschließend fährt die Limousine auf dem roten Teppich der Berlinale vor. Deren Chef Dieter Kosslick „begrüßte mich wie einen echten Schauspieler. Wenn man vom Dorf kommt, ist das schon eine andere Welt.“
Aber irgendwie ist es auch seine Welt - das Kino, der Film. Von Kindesbeinen an ist Helmut Göldner davon fasziniert. Als Schüler hilft er den Fachleuten bei Filmvorführungen auf den umliegenden Dörfern, als 15-Jähriger hat er bereits den Filmvorführschein in der Tasche, holt sich das  Rüstzeug im damaligen Bernburger Kino „Lili“.  Nach der Schlosser-Lehre  steht für ihn schnell fest, dass der Film seine Berufung ist - bis heute.

Mit Kleinbus und Projektor unterwegs

Seit über 50 Jahren tourt der Mann im Osten Deutschlands übers Land, spielt auf Freilichtbühnen, in Kirchen,  Kindergärten, Pflegeheimen. „Er leistet damit einen wertvollen Beitrag zur deutschen Kinokultur. Der Kino-Mann, wie er liebevoll von seinen Fans genannt wird, bringt Filme per Kleinbus und Projektor in Städte und Gemeinden, die sich kein eigenes Kino leisten können“, heißt es in der Laudatio. „Mit dem ,MasterCard Award for Culture & Art’ ehren wir Menschen, die sich mit Leidenschaft für kulturelle Zwecke engagieren und so zu unbezahlbaren Helden des Alltags werden“, so Marketingchefin Dagmar Nedbal.

Bis zur Wende leitete Göldner  die Abteilung „Der Landfilm“ bei der Kreisfilmstelle in Köthen. Nach der Wiedervereinigung machte er sich  selbstständig. Die teilweise fast neuen Filmrollen, darunter so beliebte Trickfilme wie „Der Maulwurf“ oder „Hase und Wolf“, schmeißt er nicht wie beauftragt auf den Müll - er zeigt sie einfach weiter, mit großem Erfolg. Rückblickend schwärmt er von den „goldenen 90ern“, als die Menschen allerorts nach den neuesten Hollywood-Streifen lechzten.  „Titanic“ etwa zeigt Göldner drei Monate lang - jeden Tag. Die Nische, die viele sterbende Kinos in Kleinstädten hinterlassen, nutzt der Filmfan.

Dass mit  der Einführung der DVD auch das Interesse am Kino schwindet, davon lässt sich  Göldner nicht beirren. Im Winterhalbjahr besucht er heute auf Bestellung Schulen, Kitas oder Seniorenheime, im Sommer macht er Open-Air-Kino - mit seiner „Ernemann“-Filmmaschine von 1938. Die aktuellen Streifen bezieht er von kleinen Verleihern, im Digital-Zeitalter über einen Server als Computerdatei. 

Nächstes Jahr will sich Göldner sogar einen neuen Projektor kaufen. Auch wenn  Ehefrau Rita ihn lieber öfter bei sich daheim hätte, zieht es den 71-Jährigen weiterhin in die Ferne. „Ich rauche nicht, ich trinke nicht. Ich mache weiter, mindestens bis ich 80 bin!“

Ein Video über Helmut Göldners Auftritt bei der Berlinale gibt es unter https://youtu.be/odiFtWwON4o (mz)