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Dorfporträt Dorfporträt: Legende von der Haideburg

Von Thomas Schaarschmidt 19.07.2002, 15:00

Dessau/MZ - Im Jahre 1979 sei es gewesen, das weiß Armin Assmann noch ganz genau. Er war eingeladen zu einem guten Bekannten auf dessen Grundstück im Vogelbeerweg. Im Garten habe er es dann gesehen. "Da stand im hinteren Teil des Grundstückes auf einem kleinen Berg ein burgähnliches Gebilde", erinnert sich der ehemalige Haideburger Pfarrer und heutige Schriftsteller. Sein Freund habe ihn zu dem Gebäude geführt, betreten konnten sie es nicht. "Er meinte, das hier sind die Überreste der Haideburg", denkt Assmann an den Tag vor fast 25 Jahren zurück, "und seitdem habe ich es auch geglaubt."

Mit dieser Annahme blieb Assmann nicht allein. "Ich weiß, dass viele Menschen, die in dieser Gegend wohnen, diese Geschichte kennen und erzählen", sagt Assmann, den man wohl mit Fug und Recht als echten Kenner des Stadtteils im Dessauer Süden bezeichnen darf. Schon während seiner Tätigkeit als Pfarrer begann er, Geschichte und Geschichten Haideburgs zu sammeln, veröffentlichte Bücher und kennt noch heute die meisten Einwohner zwischen B 184 und Waldbad sehr gut.

Und so fand auch die Geschichte der vermeintlichen "Haideburg" Eingang in die Unterhaltungen Assmanns. Obwohl, eines kam ihm dabei schon immer merkwürdig vor: "So sehr ich auch gesucht habe, es fanden sich in keiner Literatur Unterlagen über diese Burg. Keine Veröffentlichungen, keine Hinweise, gar nichts." Doch wirklich stutzig machen konnte ihn selbst das nicht, die Legende war stärker. "Außerdem hatte ich sie ja mal selbst gesehen." Er war einer der wenigen. Denn was in den vergangenen Jahrzehnten dazu beitrug, ein Gerücht um ein Gebäude entstehen zu lassen, war vor allem der Sachverhalt, dass man es nicht sehen konnte. Wer die Eisenbahnlinie Richtung Leipzig nutzt, der kann kurz vor der Straßenbrücke einen schnellen Blick erhaschen. Vom Dietrichshain aus aber versinkt das Gebäude im Wald. Das war nicht immer so.

Anfang des 20. Jahrhunderts war das Gebiet des heutigen Dietrichshains noch ein einziges großes Grundstück. Der Maurermeister Wilhelm Berger senior erwarb es im April 1904. Ein Teich wurde ausgehoben, und mit dem Aushub entstand eine kleine Anhöhe. Um das Jahr 1915 herum baute er auf eben dieser Anhöhe ein kleines, burgartiges Gebäude. Es sollte Sommerhaus und Unterkunft seines Wochenendgrundstückes sein. Man munkelt, er baute ohne Genehmigung, weshalb das Haus nie in offiziellen Unterlagen erschien. Nicht nur seine Kinder, sondern auch die der umliegenden Region nutzten bald das Gelände als große Spiel- und Abenteuerwiese, das inmitten gelegene Gebäude wurde die "Burg", die "Haideburg". Im Jahre 1920 erwarb der Rechtsanwalt Philipp Vohssen das Gelände, um es wiederum seiner Tochter Helene als Mitgift für ihre Heirat mit dem jüdischen Arzt Paul Moses 1922 auszuhändigen. "Die Art und Weise, wie das Gebäude dort stand, ließ dann Gerüchte aufkommen, es würde sich um eine Schlachtekammer handeln", erzählt Thomas Kühn.

Er hat fast einen ganzen Hefter zusammengetragen mit Informationen über das Gebäude und das Grundstück, das genau neben seinem liegt. Der Grund: "Immer wieder haben Leute bei mir geklingelt, und mich gefragt, ob sie die Haideburg besuchen können", erzählt er. Während des Krieges wurde das Gelände rund um die vermeintliche Burg parzelliert, von anderen Grundstücken eingeschlossen. Ein Zugang war nur noch über das Land von Thomas Kühn möglich. "Ich denke, die Kinder haben das eben damals für eine große Burg gehalten, und das immer weiter getragen", schätzt er ein. "Als es dann nicht mehr zu begehen war, hat sich die Legende gebildet und wird weiter erzählt." Der zunehmende Verfall des Gebäudes tat sein Übriges zur Geschichte, die Legende aber löste sich auf.

Auch für Armin Assmann. Nur eines musste er jetzt klären. Was ist nun die echte "Haideburg"? Die Lösung ist einfach: Das Jagdschloss. In den Jahren 1782/83 wurde es als "Heydeburg" erbaut. Nicht der Stadtteil gab dem Schloss den Namen, sondern umgedreht muss es gewesen sein.