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Die unendliche Aufgabe Die unendliche Aufgabe: Das Dessauer Tierheim hat eine neue Chefin

Von Erik Lisso 05.10.2020, 10:16
Dessaus neue Tierheimleiterin Anja Wicke mit Hund Jimmy
Dessaus neue Tierheimleiterin Anja Wicke mit Hund Jimmy Thomas Ruttke

Dessau - Auf dem Papier ist es ihr zweiter Arbeitstag. Viel Zeit zum Luftholen bleibt Anja Wicke da schon längst nicht mehr. Telefonate, Anfragen, Hilferufe. Hier werden Formulare gesucht, dort „Gassigeher“ organisiert. Währenddessen sitzt Trixie auf ihrem Schoß und wartet auf Streicheleinheiten.

Seitdem sie neben ihrem verstorbenen Frauchen aufgefunden wurde, ist die zwölf Jahre alte Chihuahua-Hündin mit dem leuchtend hellbraunen Fell Teil der „Senioren-WG“, wie Wicke die drei Vierbeiner, die vorübergehend das Büro mit ihr teilen, liebevoll nennt.

Insgesamt 18 Hunde, 75 Katzen, neun Farbmäuse, vier Kaninchen - seit Anfang des Monats hat das Tierheim eine neue Leiterin. Mit der Dessauerin Anja Wicke besetzt den Posten eine alte Bekannte beim Tierschutzverein als Betreiber der Einrichtung.

Vor fast genau 20 Jahren begann sie selbst als „Gassigeherin“

Das leidenschaftliche Engagement für jeden der tierischen Bewohner, die aus ganz unterschiedlichen Gründen ihr Zuhause (auf Zeit) am Friedrichsgarten gefunden haben - bei Wicke kommt es nicht von ohne. Vor fast genau 20 Jahren begann sie selbst als „Gassigeherin“, ging regelmäßig mit den Hunden spazieren.

Mehr und mehr setzte sie sich ehrenamtlich im Verein ein, bevor sie ab 2004 erstmals das Tierheim leitete. 2006 kehrte die ausgebildete Krankenschwester zunächst in ihren gelernten Beruf zurück, arbeitete die vergangenen 13 Jahre im Hospiz. Nun ist sie zurückgekommen. „Vor allem aus persönlichen Gründen“, erklärt Wicke auf Nachfrage. „Es war an der Zeit, etwas Anderes zu machen.“

Ein Leben ohne Tiere – auch im Privaten wäre das für die neue Chefin unvorstellbar. Drei spanische Podencos und eine Katze wohnen mit im Hause Wicke. „Auch, wenn es abgedroschen klingen mag, Hunde sind die besten Freunde“, findet die zweifache Mutter. „Mit Tieren groß zu werden, ist einfach etwas Schönes.“

Nahezu hinter jedem der Tierheimbewohner steht eine Geschichte

Hinzu komme die regelmäßige Bewegung an der frischen Luft. Feststehe aber: „Hunde brauchen Zeit und Geduld.“ Ohne geht es nicht. Dass das zunehmend unterschätzt werde, erleben Anja Wicke und ihre sechs hauptamtlichen Kollegen täglich. Tiere würden angeschafft, ohne sich zuvor ausreichend mit grundlegenden Haltungsbedingungen auseinandergesetzt zu haben. Erst nach ausführlichen Gesprächen werden die Vierbeiner in Nord deshalb an ein neues Frauchen oder Herrchen vermittelt. „Ein Problem dieser Gesellschaft.“

Nahezu hinter jedem der Tierheimbewohner steht eine Geschichte. Die immer auszuhalten, falle schwer, gibt Wicke zu. Ausgesetzt, verwahrlost aufgefunden, schwer erkrankt. Genauso erging es der kleinen Yorkie-Dame, die am ersten Arbeitstag der neuen Leiterin in die Hände des Tierschutzvereins kam. Frisch geschoren läuft sie in einem schwarzen Pullover mittlerweile schon wieder aufgeweckter durch die „Senioren-WG“. Begonnen hat die Suche nach ihrem potenziellen neuen Zuhause, die heutzutage in erster Linie über Facebook und soziale Medien laufe. „Das schlägt ein und beschleunigt vieles.“

„Ohne Herzblut ließe sich das nicht machen“

Videos einstellen, Beiträge tippen, Aufrufe starten. Anfallende Aufgaben, zu denen Anja Wicke oft erst in den Abendstunden und zuhause kommt. „Einen wirklichen Feierabend gibt es nie.“ Das Pensum ist hoch, jeder Zwinger des Heims zurzeit belegt. Dreimal tägliches Ausführen aller Hunde, über 60 junge Babykatzen müssen versorgt werden. Gerade läuft der zweite Aufruf für Babyfutterspenden. Drei junge Leute im Freiwilligen Ökologischen Jahr unterstützen das Tierheim momentan. „Zum Glück“, freut sich Wicke über jede helfende Hand.

Auf ihr Team ist sie besonders stolz. „Ohne Herzblut ließe sich das nicht machen.“ Ihre neue alte Aufgabe, für Anja Wicke ist sie mehr als nur ein Job. Wer sie im Einsatz erlebt, erkennt schnell ihre absolute Priorität Nummer eins. „Möglichst ein schönes neues Zuhause für jedes unserer Tiere zu finden.“ Realistisch und vernünftig müsse man dabei zwar bleiben. „Aber jeder Hund, jede Katze macht einen Unterschied.“ (mz)