Die Helfer brauchen dringend Hilfe Die Helfer brauchen dringend Hilfe: Feuerwehr in Dessau-Kochstedt wirbt für neue Mitglieder

Kochstedt - Die Laternen in der Bergstraße von Kochstedt sind plakatiert, als stünden Wahlen bevor. Wer die Botschaften auf den Transparenten, die von der Feuerwehr stammen, liest, dem wird klar, dass hier Kochstedts Feuerwehr funkt: „Hallo Kochstedt, wir haben ein Problem.“
„Wir sind noch sieben Aktive, die im Ernstfall ausrücken können“, sagt Wehrleiter Sebastian Stieler. Fünfmal in der jüngsten Vergangenheit wurde die Wehr alarmiert. Immer waren es die gleichen sieben Leute, die zum Einsatz eilten. Und das, obwohl damit nicht einmal Einsatzstärke erreicht worden ist.
Von den bislang 14 aktiven Kameraden in Kochstedt mussten sich sieben zurückziehen
Die Freiwillige Feuerwehr in Kochstedt verliert trotz Werbeaktionen im Ort immer mehr Aktive. Von den bislang 14 aktiven Kameraden mussten sich sieben aus gesundheitlichen und beruflichen Gründen zurück ziehen. Neue kommen nicht hinzu. Diese Entwicklung macht den Verbliebenen Angst. „Wir haben unser Problem vor Kochstedtern immer wieder angesprochen und für die Feuerwehr geworben.
Doch wir konnten kein einziges Mitglied hinzugewinnen“, sagt Stieler. Die meisten der Angesprochenen hätten auf ihre berufliche Arbeit verwiesen und auf die wenige Freizeit, die sie haben. Auch Stieler und die restliche Mannschaft sind übrigens berufstätig.
Jetzt startete die Feuerwehr eine Plakataktion, in der es heißt: „Familienkutsche - nein danke. Lieber das Löschfahrzeug“ oder „Dein Fluchtweg - mein Arbeitsweg“ oder „Einsatz leiten - kein Problem“ und „Im Alltag Altenpfleger, im Ernstfall Retter“.
Generell haben die freiwilligen Wehren aus Dessau-Roßlau seit 2009 über 50 aktive Einsatzkräfte weniger
Der Hilferuf erinnert an den der Feuerwehr Zorbau im Burgenlandkreis im Juli. Sie stellte kürzlich aus Personalmangel ein Feuerwehrauto an die Straße, auf dessen Windschutzscheibe steht: „Dein Haus brennt? Wir haben kein Personal. Den Schlüssel für dieses Auto findest Du im Rathaus.“ Sehr viele Dessau-Roßlauer Einsatzkräfte hatten das auf Facebook geliked.
Über 4.200 Einwohner zählt Kochstedt. Es sind sind alle Generationen in gutem Verhältnis vertreten, weiß Kochstedts Ortsbürgermeister Joachim Pätzold und macht einen allgemeinen Trend aus. „Die Menschen ziehen sich immer mehr ins Private zurück. Das trifft leider die Feuerwehr genauso wie den Heimatverein.“ Der Ortschaftsrat unterstützt die Feuerwehr, wo er kann, sagt Pätzold „Ich finde, die Stadt tut zu wenig, um eine Mitgliedschaft bei uns attraktiver zu machen“, meint Feuerwehrmann Matthias Wagner.
Generell verfügen die freiwilligen Wehren aus Dessau-Roßlau seit 2009 über 50 aktive Einsatzkräfte weniger. Mit Stand Mitte 2017 sind es 284. Damit ist der Mitgliederschwund kein reines Kochstedter Problem. Das bestätigt das städtische Amt für Brand- und Katastrophenschutz.
In Rietzmeck konnte die Feuerwehr die gesetzliche Hilfsfrist von zwölf Minuten nicht mehr einhalten
„Herkömmliche Werbekampagnen brachten in der Vergangenheit nicht den erhofften Erfolg“, erinnert Dessau-Roßlaus stellvertretender Feuerwehrchef Martin Müller an den Bus, der vier Jahre lang mit Feuerwehrwerbung durch Dessau-Roßlau fuhr. „Das hat uns Geld gekostet, brachte aber kein einziges neues Mitglied.“ Müller blickt nach Rietzmeck und Rodleben.
Denn in Rietzmeck konnte die Feuerwehr die gesetzliche Hilfsfrist von zwölf Minuten nicht einhalten. 2005 waren die Türen der Feuerwehr geschlossen worden. Im Ort führte die Feuerwehr Rodleben 2016 persönliche Gespräche. Elf Feuerwehrleute wurden gewonnen, sechs haben die Grundausbildung durchgehalten.
Müller sieht aber auch, dass das Ehrenamt mehr anerkannt werden muss. „Es gibt aber auch Defizite in den Gerätehäusern und bei der technischen Ausstattung der Wehren. Man kann einen 18-Jährigen nicht mehr mit 30 Jahre alten Fahrzeugen für den Dienst begeistern.“ Bei Letzterem bemühe sich die Stadt nach Kräften. (mz)