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Dessau-Roßlau Dessau-Roßlau: Zum Prozessauftakt ein Geständnis und Selbstmitleid

13.01.2010, 13:40

DESSAU-ROSSLAU/MZ. - Wegen drohender Zwangsräumung hatte der 62-Jährige im vergangenen Sommer sein Wohnhaus in Ziebigk in Brand gesetzt. Vor der Feuersbrunst rettete er sich durch den Sprung durch eine geschlossene Plastikjalousie seiner Veranda.

Zu Prozessbeginn am Mittwoch am Dessauer Landgericht gab der Mann zu, dass er an drei Stellen in dem Haus Benzin vergossen hat. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 62-jährigen Andreas Friedrich B. nun versuchten Totschlag und schwere Brandstiftung vor.

Es war am 24. Juli gegen 8.25 Uhr, als Dessau-Roßlauer Feuerwehren in die Saarstraße rasten. Das Bild vor Ort sprach Bände: Die Vorderfront der Doppelhaushälfte ist durch die Wucht einer Explosion total zerstört. Die Nachbarn schauen in eine Feuersbrunst unglaublichen Ausmaßes. Drei Personen werden verletzt ins Städtische Klinikum nach Alten gebracht. Es grenzt an ein Wunder, dass alle überlebten.

Ein 46-jähriger Mann und eine 26-jährige Frau hatten sich noch vor dem Eintreffen von Feuerwehr und Polizei selbst aus dem Dachgeschoss des Hauses gerettet und waren über das Dach in das Nebenhaus geklettert. Beide mussten mit Verdacht auf Rauchgasvergiftung ins Klinikum. Der damals 61-jährige Miteigentümer und heutige Angeklagte, der allein im Erdgeschoss wohnte, erlitt Brandverletzungen. Die Wohnung der mittleren Etage war unbewohnt.

Staatsanwältin Heike Kropf warf dem Angeklagten am Mittwoch vor, er habe bei der Tat billigend in Kauf genommen, dass andere - Mieter und Nachbarn - zu Schaden kommen. Mit der Verlesung der Anklageschrift ließ die Staatsanwältin die Ereignisse des 24. Juli in der Saarstraße und einige Ereignisse davor noch einmal Revue passieren: Das Haus gehörte dem Angeklagten und seiner geschiedenen Ehefrau. Letztere hatte einen Antrag auf Zwangsversteigerung gestellt. Mit Urteil des Amtsgerichts Dessau vom 7. April 2009 sollte Andreas B. seine Wohnung räumen. Als er dies nicht tat und auch seine Miete an den Zwangsverwalter nicht zahlte, erhielt er Ende Juni vom Gericht den Beschluss, dass die Wohnung am 24. Juli ab 9 Uhr zwangsgeräumt werde.

Daraufhin hat B. ganz offensichtlich wahrgemacht, was er Tage zuvor im Wohngebiet gegenüber Bekannten angedeutet haben soll: Eher sprenge er das Haus in die Luft, als es aufzugeben.

Vor dem Landgericht wurden am Mittwoch die Örtlichkeiten erläutert. Dabei bestätigte der Angeklagte, dass er Benzin als Brandbeschleuniger benutzt hatte. Im Schlafzimmer, in der Küche, in der Veranda habe er "etwas davon ausgeschüttet". "Es sollten überall nur kleinere Brandherde entstehen", verniedlichte er, was Bilder widerlegen. Aus einem Fünf-Liter-Kanister, in dem sich Bs. Angaben zufolge "höchstens noch ein Liter Kraftstoff" befunden habe, war auf energische Nachfrage der Staatsanwältin plötzlich ein Zehn-Liter-Kanister geworden.

Der Angeklagte sitzt nach einem längeren Krankenhausaufenthalt in Untersuchungshaft in der Dessauer Justizvollzugsanstalt. Seine Nachbarn haben mit den Explosions-Folgen zu kämpfen. Wochenlang mussten die Bewohner der anderen Doppelhaushälfte ihr Gebäude von Löschwasser trocknen. Die Mauer, die beide Häuser trennte und einst eine Innenwand war, ist zur Außenmauer geworden. Die Kälte hat trotz einiger baulicher Maßnahmen Angriffspunkte. Die Versicherung des Angeklagten will nicht für den Schaden aufkommen, weil die Explosion mutwillig und durch den Versicherungsnehmer B. selbst herbeigeführt worden ist.

Der Prozess wird am 28. Januar mit der Beweisaufnahme fortgesetzt. Ab diesem Termin ist u. a. ein psychiatrischer Sachverständiger zur Verhandlung zugegen. Dabei geht es unter anderem um die Frage, ob der in Untersuchungshaft sitzende Angeklagte vermindert schuldfähig oder für seine Tat voll verantwortlich ist.