Dessau-Roßlau Dessau-Roßlau: Wo 33 Igel nach Igellust «schweinigeln» dürfen
DESSAU/MZ. - Es war eisig kalt, als Bernhard Kinzel in seinem Hof einen winzigen Igel fand. Schnell packte er eine Kiste, legte Zeitungen rein und Futter. Am nächsten Morgen war der Kleine zwar ausgebüxt, aber immer noch auf dem Hof der Kinzels. "Ich wusste nicht so recht, was ich mit dem armen Tier machen sollte", gesteht Kinzel. Er suchte Hilfe im Tierheim, das den Notfall an Lene Hatton weiter gab. Die holte den Kleinen ab und pflegt ihn seitdem. "Ich bin sehr froh, dass er dort Hilfe bekommt", freut sich Kinzel.
"Frosti" auf Intensivstation
"Frosti", wie ihn Lene Hatton genannt hat, ist in der Tat ein richtiger Patient. Ein schlimmer Husten und Lungenwürmer plagen ihn auf der "Intensivstation" des Hattonschen Hauses.
Im Winter 2005 nahmen Lene und Wulf Hatton den ersten Igel auf. Der war kurz vor Beginn des Winterschlafes viel zu klein gewesen. Die beiden jungen Dessauer päppelten ihn und noch drei verletzte Tiere über den Winter. "Das war der Beginn unserer Igel-Leidenschaft", lacht Lene Hatton, die derzeit 33 Igel in Pflege hat. Es ist eine normale Anzahl für diese Jahreszeit. Seit 2006 habe sich die Zahl ihrer stachligen Pfleglinge auf 20 bis 50 pro Jahr eingepegelt.
Verletzte Igel nimmt die junge Frau das ganze Jahr über auf. Die "Winterpflege" beginnt Mitte, Ende Oktober bei Tieren, die deutlich unter 500 Gramm wiegen. "Das Gewicht ist für Igel ganz wichtig", erklärt die Expertin. "Vor allem Jungtiere, die im August oder September geboren wurden, haben nicht mehr viel Zeit, um sich rund zu futtern." Und wenn es dann viel regnet oder ein früher Wintereinbruch kommt wie im vorigen Jahr, sehe es für diese Tierchen sehr schlecht aus. Die jungen Igel gehen im November in den Winterschlaf, die älteren im Oktober.
Wie mit so einem Tierchen umzugehen ist, weiß Lene Hatton inzwischen. Sie arbeitet eng mit einer Tierarztpraxis zusammen und hat sich zum Thema Igelpflege intensiv belesen. Die Pflege der Tiere ist aufwändig. "Der Begriff schweinigeln ist sehr passend", hat Hatton leidvolle Erfahrungen gemacht. Aufräumen und Putzen der Käfige sowie Deckenwaschen sind ein tägliches Muss. Und beim Füttern könne man viel falsch machen. "Dass Igel Äpfel mögen, ist ein weit verbreiteter Irrtum", klärt Lene Hatton auf. Sie knabbern sie zwar an, wenn gar nichts anderes da ist, aber sie bekommen ihnen nicht.
Ganz kleine Tiere zieht die junge Frau mit Aufzuchtmilch für Katzen auf. "Alle zwei Stunden ist da Fütterzeit." Vier solcher Winzlinge hatte sie in dieser Saison auf einmal aufzupäppeln. "Das war echt hart." Aber die Mühen haben sich gelohnt, alle vier sind über den Berg und fühlen sich unter dicken Wolldecken in ihren Käfigen wohl.
Mit 64 Gramm war Bella 2009 der bisher kleinste Zögling der Hattons. Nicht viel mehr hatte 2008 Gustav, der 69 Gramm auf die Waage brachte. Er war im Tierheim abgegeben worden. Auch diese beiden Igel haben dank Lene Hatton überlebt.
Die Dessauerin hat inzwischen im Schuppen einen richtigen Igel-Kindergarten. Die Stacheltiere wohnen in Kaninchenkäfigen. Für jeden gibt es eine warme Decke und natürlich reichlich Futter. "Besonders die ganz Kleinen brauchen viel Wärme." Für jeden ihrer Zöglinge legt Lene Hatton eine Kartei an und schreibt ein Pflegeprotokoll. Und jeder bekommt einen Namen. "Es sieht nicht jeder Igel gleich aus", lacht sie, "die Fußnägel und auch die Nasen sind unterschiedlich." Bei der Unterscheidung helfe ihr auch, dass die Tiere zu zweit oder dritt in Käfigen seien. "Da hat man dann den Überblick."
Muntermacher Frühling
Wenn der Frühling naht, werden auch Lene Hattons Igel munter. Einige sogar jetzt schon. "Wenn es draußen grün wird, lassen wir sie frei." Das kann im eigenen Garten sein oder aber auch dort, wo die Tiere gefunden wurden. "Wenn die Bedingungen passen. An einer Kreuzung werden wir keinen Igel auswildern." Einige werden im Herbst wiederkommen, um in Hattons Schuppen zu überwintern oder sich gesund pflegen zu lassen.