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Dessau-Roßlau Dessau-Roßlau: Vor 10 Jahren starb der erste Ausländer durch rechte Gewalt

05.06.2010, 10:36

Dessau-Roßlau/ddp. - Der39-Jährige wurde von den Skinheads derart verprügelt, dass er nichtmehr aus dem Koma erwachte und zwei Tage später seinen Verletzungenerlag. Mit dem Mosambikaner, der 1980 als Vertragsarbeiter in die DDRkam, starb zugleich der erste Ausländer in Sachsen-Anhalt durchrechte Gewalt.

Ob und was sich in Dessau seit der Bluttat geändert hat - darübergehen zehn Jahre danach die Meinungen in Dessau auseinander. MarcoSteckel vom multikulturellen Zentrum Dessau hat allein im vergangenenJahr 40 Straftaten mit rechtsradikalem Hintergrund gezählt und meint,dass die rechte Szene unvermindert Angst und Schrecken verbreite.«Die Palette reicht von Pöbeleien bis hin zur gefährlichenKörperverletzungen auf offener Straße. Als Opfer trifft es entwederAusländer oder alternative Jugendliche», sagt Steckel.

Bei einigen der Attacken, meint der Sozialarbeiter, könne man nurvon «Glück sprechen», dass es nach dem Mord an Adriano kein weiteresTodesopfer in Dessau gegeben hat. «Wenn Menschen mit Stahlruten durchdie Stadt getrieben und geschlagen werden, ist es nur Zufall, wennniemand stirbt», sagt Steckel.

Bei den Tätern selbst scheint von Einsicht oder gar Läuterungebenfalls nicht erkennbar. So gab der zu lebenslanger Haftverurteilte Haupttäter Enrico H. aus seiner Zelle im GefängnisBrandenburg/ Havel die Postille «JVA-Report» heraus. «Zweck derZeitung ist es, rechten Straftätern im Gefängnis einen Rückhalt zubieten und sie so bei der Stange zu halten», sagt der SzenekennerMario Bialek vom mobilen Beratungsteam in Sachsen-Anhalt über diestrategische Rolle, die der mittlerweile 34-Jährige im Gefängnis fürdie Rechten übernommen hat.

Auch die beiden Mittäter scheinen der braunen Ideologie nichtabgeschworen zu haben. Seit 2009 nach neun Jahren Jugendhaft wiederauf freiem Fuß, wurden sie bereits «in einschlägigen Kreisengesichtet», sagt Bialek.

Seitens der Politik in Sachsen-Anhalt will man sich derrechtsradikalen Gefahr angenommen haben. Man wisse, dass das Problemnicht beseitigt sei und habe entsprechend reagiert, betontInnenminister Holger Hövelmann (SPD). «Die Reihe von Vorfällen,insbesonders der Überfall auf die Schauspieler in Halberstadt durchRechte haben uns geradezu herausgefordert», sagt Hövelmann. Seitdemsei ein ganzer Katalog von Gegenmaßnahmen umgesetzt worden. DiePalette reiche von der Aufbau und der Unterstützunggesellschaftlicher Netzwerke bis zu Weiterbildungsmaßnahmen bei derPolizei, um rassistische oder rechtsradikale Straftaten als solche zuerkennen.

Zudem sei damit begonnen worden, der braunen Propaganda denZugriff auf Kinder und Jugendliche zu erschweren. «Beispielhaft wurdeder Landesfußballbund nach entsprechenden Akteuren in derNachwuchsarbeit durchleuchtet.» Seitdem sieht Hövelmann einen breitenKonsens gegen Rechts in der Gesellschaft, dass die Umtriebe nicht zutolerieren sind.

In linken Gruppen honoriert man diese Bemühungen im Kampf gegenRechts. So ist für Mario Bialek entscheidend, dass sich im Landtatsächlich ein gemeinsamer politischer Wille im Kampf gegenrechtsextremistische Umtriebe geformt hat. «In Sachsen-Anhalt ist füralle politischen Parteien und Kommunen mittlerweile klar, dass mansich offensiv gegen Rechts wehren muss. Das war in dieser Form vorfünf, sechs Jahren noch nicht der Fall», sagt Bialek.