Dessau-Roßlau Dessau-Roßlau: Nicht nur mit Gold bei den Kunden glänzen
DESSAU-ROSSLAU/MZ. - Ein Schmelztisch steht hier. Chemikalien und Lötkolben sind an ihrem Platz. Auf den Werkbänken liegen Pinzetten, Feilen und Zangen. Gold, Silber und manchmal auch Brillanten werden hier verarbeitet. Für Heberling nichts Besonderes, sondern Alltag. Es hat wenig vom Glanz und Glamour der Auslagen. Echtes Handwerk ist hier gefragt.
Er kennt beruflich kein anderes Umfeld. Gleich nach der Schule ließ sich der heute 69-Jährige zum Goldschmied ausbilden. "Für mich stand früh fest, dass ich was mit Feinmechanik machen wollte", erzählt er. Bei einem freien Ausbildungsplatz zum Goldschmied griff Heberling zu. Feinmotorische Fähigkeiten sind in seinem Beruf Tag für Tag gefragt. Die meist edlen Metalle zu walzen, zu schmelzen und in eine passgenaue Form als Ring oder Anhänger zu bringen, erfordert nicht nur eine ruhige Hand, sondern auch Augenmaß und Feingefühl. Das war bei seinem ersten selbst gefertigten Ring als Lehrling in den fünfziger Jahren so und hat sich bis heute nicht geändert. Die Goldschmiedekunst ist ein traditionelles Handwerk, das wenig von seiner Ursprünglichkeit eingebüßt hat. Computer und Hightech sucht man in Heberlings Werkstatt vergebens.
Eher im Gegenteil sind einzelne Maschinen, wie die Walze ein treuer Wegbegleiter der ersten Stunde, der ersten Stunde seiner Selbständigkeit. Nach der Lehre unter anderem bei der HO, der Handelsorganisation der DDR und im Waggonbau Dessau angestellt, juckte es Heberling irgendwann in den Fingern was Eigenes auf die Beine zu stellen und sein eigener Chef zu werden. "Es hat mich schon in den siebziger Jahren gereizt, für mich selbst verantwortlich zu sein" erzählt der Goldschmied heute im Rückblick. Doch er musste noch einige Zeit warten. Selbständigkeit und DDR waren meist zwei paar Schuhe. Erst ein neues Handwerkergesetz im Jahr 1982 ebnete ihm den Weg zur lange ersehnten Eigenständigkeit. Im Januar 1983 bekam Heberling die Lizenz für sein erstes Geschäft in der heutigen Rabestraße. Nach Renovierung, Ausbau und mühsamer Beschaffung von Werkzeugen und Maschinen konnte es dann im Mai mit der Eröffnung losgehen.
Irgendwie wurde der damals dritte selbständige Goldschmied in Dessau von der potentiellen Kundschaft schon sehnsüchtig erwartet. "Am Eröffnungstag stand der erste Kunde schon früh um vier vor dem Laden, obwohl wir erst um neun aufmachten" erinnert sich Heberling. Auch sonst war der Ansturm gewaltig. "Der Laden wurde an diesem Tag nicht mehr leer" hat der 69-Jährige die Bilder vom Eröffnungstag noch genau vor Augen. Dabei konnte auch er in seinen Auslagen den Kunden nur wenig bieten. Der Mangel war auch bei Schmuck und Geschmeide an der Tagesordnung. "Wer mir kein Gold bringen konnte, dem konnte ich keinen Schmuck fertigen", berichtet Heberling über die weniger schönen Momente. Die Kontingente von Gold und Silber waren streng rationiert und nur sehr schwer über bürokratische Bezirksgenehmigungen im geringen Maße abzuschöpfen.
Das änderte sich schlagartig mit der Wende. Plötzlich war ein breites Angebot möglich und die Kunden mehr als bereit, die Mangelwirtschaft der vergangenen Jahrzehnte, auch bei Schmuck, wegzukaufen. Nach dieser kurzen Zeit der Goldgräberstimmung stellte sich auch im neuen System der Alltag ein. Was Heberling trotz aller Hochs und Tiefs bis heute blieb, ist die Freude am Beruf. Die motiviert den 69-Jährigen weiterzumachen, sein Geschäft nicht einfach abzugeben. "Zuhause nur Däumchen drehen ist nichts für mich", sagt er und fügt später an, doch tausend Hobbys zu haben, für die kaum Zeit bliebe. Verbrachte er in seinem 1993 eröffneten Geschäft in der Zerbster Straße bis vor kurzem noch 11 bis 12 Stunden am Tag, gönnt sich Heberling jetzt mit acht Stunden täglich ein bisschen weniger Arbeit.
Ganz zurückziehen, möchte er sich aber nicht. Obwohl Heberling bei seiner Tochter und dem Enkel, der auch als Goldschmied im Geschäft arbeitet, das Geschäft in guten Händen wüsste. Zu gerne fertigt und repariert er noch Schmuckstücke für seine Kunden. Deren Zufriedenheit ist für Heberling noch immer das Schönste, was passieren kann.