Dessau-Roßlau Dessau-Roßlau: Küchengarten wird zur Kücheninsel
DESSAU/MZ. - Als es alles anfing, musste er sich Gummistiefel besorgen. "Meine waren ja in der Laube", lacht er, "da musste ich neue kaufen." Ohne sie wäre es nicht mehr gegangen. Hans-Jürgen Lohse ist 76 Jahre alt. Gemeinsam mit seiner Frau Erika hatte er sich schon 1968 für eine Parzelle in der Kleingartenanlage "Küchengarten" entschieden.
Jenseits der Mulde, wo seinerzeit die herzoglichen Köche ihre Kräuter anbauten, verbrachte Familie Lohse seither zahlreiche ruhige und glückliche Stunden. "Wenn man in einer Mietswohnung wohnt, ist das immer wieder ein schönes Ziel", sagt er. Doch der Hochstand der Mulde nach der jüngsten Schneeschmelze unterbrach diese friedliche Ruhe erneut.
"Wir haben uns natürlich Sorgen gemacht", meint er. Allerdings betont Lohse sofort, dass es sich nicht unbedingt um Luxusgüter handelt, die in den einzelnen Gartenlauben in Gefahr waren. Die Leute, die um ihre Häuser und Wohnungen bangen, sind noch viel schlimmer dran. "Das ist nicht vergleichbar", so der Senior.
In den Wochen des Hochwassers machte er sich jeden einzelnen Tag auf den Weg in den Garten. Spätestens am anderen Ende der Fußgängerbrücke aber musste er die nagelneuen Gummitreter überstreifen. Mühselig allemal, doch er musste ja nach dem Rechten sehen und seiner Erika zu Hause eine aktuelle Wasserstandsmeldung aus dem privaten Erholungsparadies liefern. Es ist alles gut gegangen. "Wir hatten viel Glück", sagt Lohse abschließend.
Die Hochwassertouristen, die in den vergangenen Wochenenden von der Ludwigshafener Straße aus die Gartenanlage und das direkt benachbarte Bootshaus des Rudervereins in Augenschein nahmen, sahen aber nichts anderes als Wasser. Komplett überschwemmte Parzellen und ein scheinbar zu Fuß nicht zu erreichender Sportverein prägten die Bilder der Fotografen. "Das sind die Wiesengrundstücke", sagt Lohse, "die saufen im Sommer ja eigentlich immer ab." Die Parzellenpächter dieser ersten Grundstücke direkt am Muldufer bauen aus diesem Grund auch kaum etwas an. "Hauptsächlich Rasen halt", erklärt Lohse. Selbst Sträucher und Bäumchen fallen den Wassermassen regelmäßig zum Opfer. Die Gartenlauben sind auf etwa meterhohen Pfählen errichtet und richtige Gartenzäune gibt es nicht. "Die würde die Flut eh immer mitnehmen", so Lohse, der betont, dass es diesmal auch für die anderen der über 100 Parzellen im Revier brenzlig wurde. "Nur 1974 und 2002 war es noch schlimmer."
Der größte Teil der Kleingärten liegt etwas entfernt vom Flussbett. Diese meistens trockenen Grundstücke sind durch einen kleinen Wall geschützt und hatten so von der Flussseite kaum etwas zu befürchten. Der aber hatte sich diesmal seinen Weg auch von der anderen Seite her gesucht und so drückte immer mehr Wasser aus dem Vorderen Tiergarten in die Anlage. Früher habe es dort noch etliche Tümpel gegeben, die durch Gräben mit der Mulde verbunden waren. "Zu DDR-Zeiten wurden die alle zugeschüttet", berichtet er. Nun ist da nicht mehr genug Platz. "Bis zu 30 Zentimeter stand das Wasser auf dieser Seite in den Gärten", verdeutlicht der gebürtige Rüdersdorfer (bei Berlin). Selbst der Hauptweg der Anlage war vom Tor aus gut 50 Meter weit überflutet.
Joachim Theuner hatte nicht so viel Glück. Die Hälfte seiner Parzelle stand diesmal unter Wasser. "20 Zentimeter waren es bestimmt", erinnert sich der 67-Jährige an die letzten Wochen und zeigt an seinem Unterschenkel wie tief er auf seinen Erdbeerbeeten im ungewünschten Nass stand. Die Laube - vorsorglich leicht erhöht - aber blieb trocken. "Wir sind schon seit 1952 hier", sagt Theuner. Und genau wie die Lohses möchte auch er seinen Garten nirgend wo anders haben. Obwohl der "Küchengarten" sporadisch immer wieder zur Kücheninsel wird.