Dessau-Roßlau Dessau-Roßlau: Kraftwerk am Muldewehr?
dessau/MZ. - Anders als der Landestalsperrenbetrieb gehe er davon aus, dass ein Kraftwerk hier wirtschaftlich zu betreiben sei, denn man könne es zum halben Preis errichten und alle Umweltbelange berücksichtigen. Wer der Investor sei, wollte Riemay nicht offenbaren, über ihn selbst oder eine Firma, für die Riemay tätig ist, weiß das Internet de facto nichts.
Die abendliche Diskussionsrunde in der Gründerzeitvilla war Abschluss einer Sommertour-Etappe der grünen Landtagsfraktion, bei der es in Dessau-Roßlau vor allem um Fragen der Energiewende ging. Die Dessauer Abgeordnete Conny Lüddemann war am Ende des Tages überrascht: "Ich wusste nicht, was in der Stadt alles passiert."
Etwa hinter den Toren der Roßlauer Rosetta Technik GmbH, wo unter anderem an Schwungrädern geforscht wird. Wer bei Schwungrädern an etwas altmodische Spielzeugautos denkt, irrt. Es geht vielmehr um Speicher, die überschüssige Energiespitzen aufnehmen und kurze Zeit später wieder abgeben können. Die Technik dahinter ist aufwendig, geht es doch darum, das Gewicht der Anlagen zu verringern und gleichzeitig die Leistung nach oben zu schrauben. Für solche Fragen Lösungen zu finden, sei Aufgabe der Physik, meinte Rosetta-Chef Frank Täubner und nicht "Uran zusammenzutragen, um damit Wasser heiß zu machen".
Die Energiewende, sie ruft auch Firmen auf den Plan, die nicht auf den einzigen großen Wurf setzen, sondern auf Nischenlösungen. Etwa die Dresdener Gicon, ein Ingenieurbüro, in dem eine Technik entwickelt wurde, aus Grasschnitt Biogas zu erzeugen. Die Welt retten lässt sich damit nicht, aber eventuell ließe sich die Muldaue mittelfristig von Schadstoffen befreien. Besonders problematisch: Das Beta-HCH, ein Abprodukt der Lindanproduktion, das die landwirtschaftliche Nutzung der Muldauen um Dessau weitgehend verhindert. Könnte der Grasschnitt energetisch verwendet werden, würde mit diesem Jahr für Jahr dem Boden Beta-HCH entzogen. Nach ersten Berechnungen könnte ein solches Kraftwerk 250 Kilowatt leisten.
Ob ein solches Chancen hätte in Dessau? Daniel Willeke, Klimaschutzmanager der Stadt, plädierte für vielfältige Ansätze, sonst wäre die Energiewende nicht zu schaffen. Solche anzustoßen bleibt ihm aus heutiger Sicht nur wenig Zeit: Wie bei vielen Kollegen in der gesamten Republik wird seine Stelle aus einem Förderprogramm finanziert, das nach zwei Jahren ausläuft. Es ist dies denn auch die drängendste Forderung der Fachleute an die Politik: Sie solle mehr Kontinuität an den Tag legen, nicht ständig die Richtung ändern, Themen hochziehen und wieder fallen lassen. Und: Sie müsse Konflikte aushalten und managen, die die Energiewende mit sich bringt - als Stichworte seien neue Freileitungen, Biogasanlagen, Windkraftparks oder Pumpspeicherwerke genannt.