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Dessau-Roßlau Dessau-Roßlau: Einwohnerversammlung diskutiert «Masterplan Bauhausstadt»

Von silvia bürkmann 07.11.2012, 19:07

rosslau/MZ. - Da beschreibt Oberbürgermeister Klemens Koschig in der Eröffnungsmoderation ein Bild: Ein alter Herr macht sich auf den Weg zum Meisterhaus der Bauhausslehrer Paul Klee und Wassily Kandinsky, besucht Ausstellung und Vortrag. Der Mann ist 95 Jahre alt. Und ein Roßlauer. Auf der anderen Seite will eine Delegierte vom Internationalen Urologenkongress in der Stadt Einzigartiges finden. Fragt nach dem Weg zum Bauhaus und bekommt zur Antwort. "Ach, Sie wollen zu den Spinnern?" Das fragt ein Taxifahrer aus Dessau. Die Wahrnehmung vom Welterbe Bauhaus - sie ist höchst ambivalent in der Doppelstadt Dessau-Roßlau. Und für Überraschungen gut.

Die dritte Einwohnerversammlung bei der Informationsoffensive zum Masterplan Bauhausstadt stellt am Dienstag in der Elbe-Rossel-Halle mit über 400 Teilnehmern einen Rekord auf. Was nicht überrascht. Denn die Roßlauer Bürger fürchten, im Zuge der Masterplan-Debatte aus dem Abteil geworfen zu werfen, wenn es 2013 um die Änderung des Stadtnamens gehen soll. Eben dies hatte der Stadtrat Dessau-Roßlau am 11. Juli auf seiner Sondersitzung zum "Masterplan Bauhausstadt" samt umstrittenem Punkt "C 7" beschlossen.

Unter diesen Vorzeichen richtet sich der Fokus der Einwohnerversammlung auf den Unter-Punkt. In der Hauptsache umreißen zunächst OB Koschig anschließend Philipp Oswalt, Direktor der Stiftung Bauhaus Dessau, das Vorhabens-Paket bis 2019 zur Hundertjahrfeier vom Bauhaus: Ausstellungszentrum, Stadtraum-Aufwertung mit hoher Baukultur, komplettes Meisterhaus-Ensemble, Tourismus-Marketingkonzept-Konzept, Idee von der Bauhaus-Universität - all dies wird höflich zur Kenntnis genommen. Nicht vertieft.

Anders die Stadtnamen-Debatte. "Wir sind ja stolz auf die große Schwester. Aber Roßlau darf nicht untergehen", eröffnet Ute Möses die Diskussion. Der freie Maler und Wort-Künstler Stefan Koschitzki kleidet die Geschichte in ein trauriges Märchen über eine junge Stadt, die wandernde Heimatfreundin Rosemarie Kohl in ein Gedicht über die Fusion: "Es war knapp, sie haben gewonnen. War der Faden schon gesponnen?" Die Verschwörungstheorie vom lange geplanten Verrat an Roßlau - sie schwebt als dunkler Schatten in der Elbe-Rossel-Halle. Aber sie wird nicht zugespitzt. Die Bürgerinitiative für den Erhalt des Stadtnamens Dessau-Roßlau hat sich andere Prämissen gesetzt: Sachlich, zweckdienlich und in einem vernünftigen Umgangston müsse diskutiert werden. Und die Inhalte des Masterplans Bauhausstadt seien auch ohne eine Namensänderung der Doppelstadt umzusetzen, betont Sprecherin Sylvia Gernoth. "Eine Umbenennung bringt die Stadtentwicklung nicht voran. Wir hoffen auf die Vernunft. Wenn doch, dürfen über den neuen Namen der Stadt nur deren Bürger befinden: Per Bürgerentscheid."

Der Applaus spricht Bände, ohne Worte. Auch Klemens Koschig hat von Beginn an einen Bürgerentscheid gefordert. Bei besagter spätabendlicher Stadtrats-Sondersitzung hatte Ratsvorsitzender Stefan Exner darüber nicht abstimmen lassen und auf später zu klärende Verfahrensfragen hingewiesen.

Die Klärung aber zeichnet sich auch in der mehrstündiger Diskussion zur Einwohnerversammlung in Roßlau noch nicht ab. Unternehmer Uwe Kürschner fragt streng nach: "Und was passiert jetzt nach den 14 Einwohnerversammlungen? Dessau-Roßlau ist per Gesetz vom Landtag festgeschrieben. 2013 will der Stadtrat per Mehrheitsbeschluss diesen Namen ändern?"

Der Weg zu einem Bürgerentscheid - er wäre ohne Ratsbeschluss schwerer, aber noch möglich. "Über ein Bürgerbegehren", weiß Koschig. Laut Gemeindeordnung des Landes Sachsen-Anhalt hat das Bürgerbegehren die Durchführung eines Bürgerentscheids zum Ziel, also die Entscheidung der Bürgerschaft anstelle des Gemeinderates. Das Bürgerbegehren muss von mindestens 15 vom Hundert der wahlberechtigten Bürger unterzeichnet sein, mit als gültig anerkannten Unterschriften.

Das wären sehr hohen Hürden einer Demokratie. Aber Roßlau scheint entschlossen, den Kampf um den Erhalt des Stadtnamens aufzunehmen. "Hier brennt die Hütte", sagt Stadtrat Klaus Tonndorf voller Stolz auf die vielen Roßlauer, die an diesem Abend in der Halle Flagge bekennen.

Das Verhältnis zwischen Dessau und Roßlau sei durch die Zwangs-eingemeindung von 1933 bis 1945 über Jahrzehnte tief zerrüttet gewesen. Eine erneute Eingemeindung über den jetzt befürchteten 'kalten Weg' würde alte Gräben aufreißen, die nie mehr verheilen könnten. "Das zu verhindern, werden wir jedes legitime Mittel nutzen."