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Dessau-Roßlau Dessau-Roßlau: Botox für Amerika

Von STEFFEN BRACHERT 07.03.2011, 19:19

DESSAU-ROSSLAU/MZ. - Die Dosierung ist unvorstellbar niedrig. "Botulinumtoxin", sagt Dr. Torsten Wagner, "ist der am niedrigsten dosierte Wirkstoff der Welt." Ein Nanogramm ist in einer Flasche des Wirkstoffes enthalten - anders gesagt, ein Milliardstel Gramm. So gering der Einsatz, so groß ist die Wirkung. Das stärkste in der Natur vorkommende Gift ist aus der Medizin nicht mehr wegzudenken. Wegen seiner Muskel schwächenden Wirkung. Es hilft nach Schlaganfällen, bei Lidkrämpfen oder beim Schiefhals. Vor allem aber wegen eines Nebeneffekts, dessen Bedeutung erst allmählich erkannt wurde. Botulinumtoxin, besser bekannt als Botox, glättet die Haut.

Meilenstein gefeiert

Wagner steht im Pharmapark in Rodleben vor dem Produktionsgebäude der Merz Group, die am Montag einen Meilenstein feierte: Die Zulassung ihres Botulinumtoxins für den amerikanischen Markt. Dieser Erfolg macht den kleinen, nur 30 Mitarbeiter zählenden Standort Dessau zum Hoffnungsträger für einen Konzern, der im Jahr 2009 / 2010 immerhin eine Bilanzsummer von 743,2 Millionen Euro aufwies und weltweit 2 131 Beschäftigte zählt. Die Medikamente Xeomin und Bocouture sollen die Umsätze deutlich ankurbeln.

"Die USA ist der größte Arzneimittelmarkt der Welt", sagt Standortchef Wagner. "Und wir stehen dort erst ganz am Anfang der Vermarktung." Die Erwartungen sind hoch: Der Schritt über den großen Teich ist, so Hartmut Erlinghagen, Deutschland-Chef von Merz, "ein bedeutender Schritt der Zukunftssicherung für die gesamte Merz Pharma-Gruppe". Botulinumtoxin ist das erste Merz-eigene Medikament, das von der Firma in den USA selbst vertrieben wird.

Zwei Wochen waren im Sommer vorigen Jahres drei Inspekteure der amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) in Tornau vor Ort, prüften, kontrollierten und dokumentierten jeden Arbeitsschritt, ehe am Ende die unbefristete Zulassung der Dessauer Medikamente stand. "Die FDA ist zweifelsohne einer der anspruchsvollsten Zulassungsbehörden, die es gibt", erklärt Erlinghagen. "Die Zulassung ist ein sehr aufwändiges und teures Verfahren", sagt Wagner. Davor, dabei und danach. "Das Verhältnis von Dokumentation zu Produktion beträgt 90 Prozent zu 10 Prozent."

Im Jahr 2002 war Merz nach Dessau gekommen und hatte 2007 fast 18 Millionen Euro in eine hoch moderne Produktionsstätte investiert, um hier vor Ort nicht nur den Wirkstoff, sondern auch das komplette Arzneimittel Botulinumtoxin herstellen zu können. Es war zum damaligen Zeitpunkt die größte Einzelinvestition, die das Unternehmen in seiner über 100-jährigen Geschichte getätigt hat. Bereut hat das keiner.

"Wir haben uns für Dessau entschieden, weil wir hier vor Ort mit dem IDT Biologika einen Partner gefunden haben, der nicht nur bereit war, mit dieser besonderen Substanz zu arbeiten, sondern auch das Know-How und die entsprechende Erfahrung hatte", lobt Erlinghagen die Partner vor Ort, die den Pharmapark längst auch zu einem Hoffnungsträger für das kreisfreie Oberzentrum und ganz Sachsen-Anhalt gemacht haben.

Ziel ist Forschungszentrum

"Ich komme immer wieder mit großer Freude nach Rodleben", sagt Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister Reiner Haseloff bei der offiziellen Feierstunde. Eine Aneinanderreihung von Investitionen und Aktivitäten haben hier einen historischen Pharma-Standort gerettet und zukunftsfähig macht. "Es gibt die große Idee, hier ein Pharmaforschungszentrum zu etablieren", erinnerte Haseloff. "Diese Vision wird langsam wahr."