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Dessau-Roßlau Dessau-Roßlau: Anhalt-Histörchen in Zinn

Von Danny Gitter 04.06.2012, 16:43

Dessau-Rosslau/MZ. - Und dann hat es Klick gemacht. "Es wird wohl in vielen Leben von Zinnfigurensammlern diesen Moment geben, von dem an man fasziniert von der Materie ist und nicht mehr loslassen kann", vermutet Hans-Joachim Schwahn. Bei ihm war es als Kind der Besuch bei einem Onkel, der bei sich zu Hause Zinnsoldaten sammelte. Als er dann wenig später auch noch zur Einschulung Zinnfiguren in seiner Zuckertüte fand, war es um ihn geschehen. "Dann habe ich mich intensiv damit beschäftigt", erzählt Schwahn. Der Vater lenkte den kindlichen Eifer mit der Anmeldung des Filius bei der Schülerarbeitsgemeinschaft der Fachgruppe Zinnfiguren Dessau in geordnete Bahnen. Figuren bemalen und gestalten sowie Formen selber gießen. Bei Hans-Jörg Rammelt lernte Schwahn die gesamte Klaviatur.

Heute, rund drei Jahrzehnte später, steht der 41-Jährige in der Walderseer Kirche St.-Bartholomäi und ist noch immer fasziniert von Zinnfiguren. Die Faszination ist so groß, dass er sie teilen möchte mit der Öffentlichkeit. Das Ergebnis ist die Ausstellung "Anhalt in Zinn" in der Walderseer Kirche , die am vergangenen Sonnabend ganz offiziell eröffnet wurde. Schwahn, der mittlerweile beruflich als Rechtsanwalt zwischen St. Petersburg und Moskau pendelt, wollte sich die Chance nicht entgehen lassen, auf den Zug zum Jubiläum von Anhalt aufzuspringen. Schon immer haben sich Zinnfigurensammler und -gestalter in Dessau in der Öffentlichkeit eher rar gemacht. 1972 gab es die erste Ausstellung im Naturkundemuseum. Wenige folgten in der Stadt und Umgebung in den folgenden vier Jahrzehnten.

In seiner Eröffnungsrede bemerkte Kurator Schwahn: "Freunde der Zinnfiguren sind eher private Sammler. Ihre Schätze befinden sich oft hinter Schloss und Riegel." Da ist es für ihn schon fast symptomatisch, dass sich auch ein Schaukasten mit Zinnfiguren hinter Dessauer Gefängnismauern befindet. Andere lagern unter anderem im Fundus des hiesigen Museums für Stadtgeschichte und in vielen privaten Sammlungen, wohl behütet und gut geschützt vor den Augen der Öffentlichkeit.

Dabei können Zinnfiguren auch Laien faszinieren. Als Geschäftsführerin des Kulturbundes Dessau-Wörlitz, unter dessen Dach die Dessauer Fachgruppe Zinnfiguren organisiert ist, hat sich Elke Arndt anlässlich der Ausstellung näher mit der Materie auseinandergesetzt. Bei ihren Recherchen hat sie viel gelernt über die Entwicklung vom Spielzeug zum begehrten Sammlerobjekt. Über die berufliche Existenz, die sich einige Hersteller solcher Figuren in Anhalt sicherten. Und über den besonderen Zugang zur Heimatgeschichte durch diese Figuren. Arndt schaut in ein Diorama, einen Schaukasten mit Zinnfiguren, und beginnt sofort eine Geschichte zu erzählen. Es war einst Leopold I. von Anhalt, den die Mutter für einige Zeit weggeschickt hatte, damit er sich seine Liebschaft Anna Luise (Föhse) aus dem Kopf schlägt. Doch der Plan der Mutter ging nicht auf. Zurück in der Heimat ist die erste Station Leopolds das Zuhause des Mädchens und nicht das Schloss, welches im Diorama nur im Hintergrund zu sehen ist. "Es ist einfach faszinierend, wie lebendig Geschichte dadurch wird", kommt Arndt ins Schwärmen.

Es gibt in der Ausstellung noch mehr solcher Szenen in Zinn, auch aus dem Leben des Herzogs Leopold III., am Ort seiner letzten Ruhe. Hier im Mausoleum der St.-Bartholomäi-Kirche in Waldersee sind "Vater Franz" und seine Frau Louise Henriette Wilhelmine begraben.

"Anhalt hat natürlich auch in Zinn viel mehr zu erzählen", möchte Schwahn seine Ausstellung nicht als Personenkult um eine Person verstanden wissen. Viele, oft auch unbekannte oder vergessene Momente anhaltischer Geschichte werden in den Dioramen und Vitrinen dargestellt. So etwa die Pest, der Ablasshandel, die "Langen Kerls". Nicht zu vergessen Hugo Junkers und Rudolf Carraciola. Letzterer stellte mit einem Mercedes auf der Dessauer Rennstrecke am 9. Februar 1938 mit 399 Kilometer pro Stunde einen Geschwindigkeitsrekord auf.

Kurator Schwahn erklärt sein Konzept so: "Unsere Ausstellung ist sehr publikumsorientiert. Viele Besucher haben heute wenig Zeit. In rund 20 Minuten bekommt man hier einen lebendigen Einblick in die anhaltische Geschichte." Man dürfe aber auch gern viel länger hinschauen.