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Cranach-Ausstellung in Dessau Cranach-Ausstellung in Dessau: Fegefeuer im Johannbau

Von Carla hanus 09.06.2015, 18:41
Grit Jehmlich hat noch einmal mit einer Speziallampe den Fürstenaltar von 1507/09 von Cranach dem Älteren betrachtet.
Grit Jehmlich hat noch einmal mit einer Speziallampe den Fürstenaltar von 1507/09 von Cranach dem Älteren betrachtet. Sebastian Lizenz

Dessau - Grit Jehmlich freut sich. Wenn in der Landesausstellung zu Cranach der Flügel eines Jüterboger Altars gezeigt wird, dann hat dieser eine besondere Geschichte. Die historische, die ihren Ursprung im 16. Jahrhundert hat. Und eine restauratorische aus der jüngsten Zeit, die mit ihr als Restauratorin verbunden ist.

Der Altar, der in der Kirche St. Nikolai in Jüterbog beheimatet ist, dort wo auch der Tetzel-Kasten steht, stammt aus der Cranach-Werkstatt. Das ist ganz sicher. Welcher Anteil aber von welchem Meister stammt, da will sich die Restauratorin nicht festlegen. Das sei Sache der Kunsthistoriker. „Die Forschung ist gerade dabei, das zu verifizieren“, sagt sie. Mittels Infrarot-Licht lasse sich durch die so genannte Unterzeichnung vielleicht aufklären, wer da Hand angelegt hat. Die Cranach-Schule sei ja geradezu darauf ausgerichtet gewesen, eben Cranach-Werke als solche und nicht die des Älteren oder des Jüngeren Cranach zu schaffen. Da diese Unterzeichnungen, diese Vorzeichnungen dann unter der Farbe verschwinden, „sind diese noch am ehesten individuell“, vermutet Grit Jehmlich und ist gespannt auf die Untersuchungsergebnisse.

Gleichwohl kann die Restauratorin, die sich auf Gemälde und gefasste Holzskulpturen spezialisiert hat, zu dem Altar einiges erzählen. Dass es sich um einen Flügelaltar mit einer Mittel- und zwei Seitentafeln zum Klappen handelt, der im 20. Jahrhundert schon einmal überarbeitet wurde, zum Beispiel. Zumindest, was die Farbe betrifft. Die Darstellung an sich ist noch im Originalzustand. Auch dass er durch die Kirche gewandert sein muss, was die Farbabweichungen erkennen lassen, die durch unterschiedlichen Lichteinfall entstanden sind. Und dass ihn der Holzwurm für sich entdeckt hatte.

Während die Diplomrestauratorin unter anderem auf allen fünf Seiten die Malschichten auf ihre Festig- und Transportfähigkeit geprüft und eine leichte Oberflächenreinigung selbst vorgenommen hat, musste gegen den Holzwurm andernorts vorgegangen werden. Das Brandenburgische Landesamt für Denkmalpflege hat in Wünsdorf den Altar einer Stickstoffbegasung unterzogen. Dabei wird durch Luftaustausch der Objektumgebung immer weiter Sauerstoff entzogen, so dass die Holzwürmer, die eigentlich Larven des Gemeinen Nagekäfers sind, absterben.

Feine Federchen und Flügelchen

Rund vier Wochen musste der Altar in Wünsdorf bleiben, bis nun am Montag einer seiner Seitenflügel in den Dessauer Johannbau und die anderen Teile wieder nach Jüterbog zurückgebracht werden konnten. In Dessau wird damit eine Cranach-Darstellung des Fegefeuers als Vorstufe der Hölle zu sehen sein. Das sei schon eine Besonderheit, findet sie. Wohl auch deshalb wurde dieser Flügel für die Ausstellung ausgewählt. Grit Jehmlich weist dabei auch auf die Rückseite dieser Tafel hin. Diese sei wohl noch originaler als die Vorderseite, denkt sie. Eine ganz feine Malerei sei darauf zu entdecken, feine Federchen und Flügelchen. Da der Altarflügel im Johannbau auf einen extra gefertigten Sockel kommt, kann der Besucher das alles bestaunen. Oder auch die Kratzspuren bemerken, die dem lithurgischen Objekt und Kunstwerk in seiner rund 500-jährigen Existenz mal absichtlich zugefügt wurden, meint die Expertin, die für die konservatorische Betreuung der Ausstellungsobjekte und damit für die Bedingungen während des Transports und vor allem im Stadtgeschichtlichen Museum vor Ort zuständig ist. Temperatur, Beleuchtung und Luftfeuchtigkeit sind zu kontrollieren.

Der Fegefeuer-Flügel ist bei weitem nicht die einzige Leihgabe, die Grit Jehmlich als restauratorische Fachkraft in diesen Tagen im Johannbau in Empfang nimmt. „Meistens leihen wir ja an andere Museen aus“, sagt die freiberuflich tätige Restauratorin, die die Sammlung der Anhaltischen Gemäldegalerie generell betreut. „Doch diesmal geht es auch in die andere Richtung.“ Auch unter diesem Gesichtspunkt sei die Ausstellung „Cranach in Anhalt“ als Korrespondenzstandort zur Landesausstellung in Wittenberg eine Besonderheit. (mz)

Zur Ausstellung vom 27. Juni bis 1. November gibt es regelmäßig öffentliche Führungen: jeden Sonnabend um 15 Uhr und jeden Sonntag um 11 Uhr.

Grit Jehmlich und Thomas Weißhaar positionieren den Altarflügel aus Jüterbog.
Grit Jehmlich und Thomas Weißhaar positionieren den Altarflügel aus Jüterbog.
sebastian Lizenz