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Burgtheater in Roßlau Burgtheater in Roßlau: Kleine Scherze für das Sommertheater

Von thomas altmann 23.07.2014, 20:14
Proben für „Der Bär“ auf der Theaterburg: Vania Brendel und Ute Loeck
Proben für „Der Bär“ auf der Theaterburg: Vania Brendel und Ute Loeck Altmann Lizenz

rosslau/MZ - Bald Salon des Gutshauses der Popova, bald Cubukovs Landsitz; aber bei diesem Wetter kann man ohnehin in den Garten gehen oder in den Hof der Burg. „Kleine Scherze mit blauen Erbsen“ überschreibt der „theaterBurg Verein Roßlau“ das Programm des diesjährigen Sommertheaters auf der Wasserburg. Gegeben werden zwei Einakter, „Der Heiratsantrag“ und „Der Bär“, kleine Dinger, Fingerübungen, die Anton Tschechow selbst „kleine Scherze“ nannte oder ein „räudiges kleines Vaudeville“, geschrieben „für die Provinz“, erfolgreich in Moskau und anderswo. Die „blauen Erbsen“ beziehen sich auf das gleichnamige Album des Berliner Musikers Karl Neukauf, der Tschechows Skizzen musikalisch lavieren wird.

Ivan Vasiljevic Lomov hat den Heiratsantrag zwar noch nicht gestellt, aber das Aufgebot offenbar schon aufgefahren. Ein Theaterfest, mithin ein Hochzeitsfest solle es werden, mit kleinen Speisen und Musik, sagt Ismael Volk. Der junge Regisseur, der nun quasi debütiert, studierte in Berlin zunächst Geschichte, Physik und Philosophie, dann Schauspiel am Michael-Tschechow-Studio in Berlin. Dort, in der freien Schauspielschule, hat auch der Theater-Verein einen künstlerischen Schnittpunkt. Der Namensgeber, der Neffe Anton Tschechows, setzte mit seiner Methode auf das imaginative Potenzial, um die Bühnenfigur glaubhaft werden zu lassen. Volk wiederum war zuletzt an der Landesbühne in Eisleben tätig. Im vergangenen Jahr spielte er den jungen Faust auf der Burg in Roßlau.

Blick durchs Schlüsselloch

„Die Möwe“ von Tschechow, „Frauenvolksversammlung“ von Aristophanes, oder „Der zerbrochene Krug“ von Kleist, und schließlich Goethes „Faust“: Bescheiden war der Verein in der Wahl der Stücke bisher nicht. Nun also ein Ausflug ins wahre Sommertheater-Repertoire? Was hätte man auch tun sollen, nach „Faust“? Shakespeare? Bei der Arbeit merke man, so Volk, dass Tschechow Tschechow sei, der Autor, der den „Kirschgarten“ geschrieben habe.

Es gebe wunderbare Momente im Text, Dialoge, auf die man sich verlassen könne. Der Aufbau überschaubar, liege die Stärke in der Skizze der Figuren, Figuren, die Hinterland hätten. „Wir haben“, sagt Volk, „einen Ausschnitt, der kurios, auf eine bestimmte Art einfältig erscheint. Man schaut wie durch ein Schlüsselloch, und dahinter befindet sich eine Welt.“

Schicksalhafte Verstrickungen

Eine letzte Chance, aber eigentlich müsste Natalja Stepanovna den Kerl zum Teufel jagen. „Sehnsüchte machen anfällig“, sagt Volk und: „Gut, dass die Stücke da abbrechen, wo sie abbrechen.“ Man habe bestimmt Assoziationen, wie es mit den beiden weitergehe. Doch das „möchte man an diesem Abend nicht sehen. Das wäre dann Strindberg oder so.“ Volk sitzt in der kühlen Burgscheune und schreit: „Kann ich bitte was zu trinken haben!“ So blickt er in den möglichen Ehealltag von Lomov, spricht von emotionaler Überforderung, Ignoranz, oder, in „Der Bär“, von Melancholie, die sich Elena Ivanova Popova gestrickt habe, um sie zu instrumentalisieren. Die schicksalhaften Verstrickungen seien so konstruiert, dass man sie nicht auflösen könne, sagt Volk.

Und die Komödie? Es bliebe bei der schlichten Definition: Sterbe der Protagonist, sei es eine Tragödie, überlebe er, eine Komödie, sagt Volk und: „Wir müssen immer wieder das Drama suchen, den Konflikt ernst nehmen, nicht nur dem Geruch von Leichtigkeit folgen.“ Lachen, träumen, vielleicht auch ein wenig nachdenken: Volk spricht von sinnlichen Ebenen. Nun sitzt er wieder am hausbackenen Regiepult, einem alten Küchentisch im Burghof. Wasserflasche, Textbuch und Bohrmaschine liegen dort.

Elena Ivanova Popova ist auch zurück. Sie hat neue Schuhe gekauft, beim Discounter. Die damenhaften Absätze funktionierten auf dem Kopfsteinpflaster nicht. Grigorij Stepanovic Smirnov wartet als grobschlächtiger Gläubiger auf die dann doch begehrenswerte Witwe. Der Diener erscheint als Dienerin im offenen Fenster. Die Wände der Burg sind neu verputzt, ein Landsitz beinah. Pink leuchten die Kissen auf weißer Gartenbank. Der Sonnenschirm leuchtet türkis, auch der Blumenkasten. Aber blaue Erbsen?

Regie bei den Tschechow-Einaktern in Roßlau führt Ismael Volk.
Regie bei den Tschechow-Einaktern in Roßlau führt Ismael Volk.
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