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Bundestagswahl Bundestagswahl: Lokalpatriot in der Hauptstadt

Von steffen Brachert 06.09.2013, 18:07
Steffi Lemke vor dem Bauhaus. Dessen 100. Geburtstag 2019 ist eine große Chance für die Region.
Steffi Lemke vor dem Bauhaus. Dessen 100. Geburtstag 2019 ist eine große Chance für die Region. SEBASTIAN Lizenz

wittenberg/MZ - Als die Plakatwand hing, war Steffi Lemke doch etwas erschrocken. „Das sah einfach täuschend ähnlich aus.“ Dabei war genau das gewollt. Lemke, Spitzenkandidatin von Bündnis 90/Grüne in Sachsen-Anhalt und Direktkandidatin im Wahlkreis 70, macht Wahlkampf im eigenen Wohnzimmer, aber nicht in der eigenen Wohnung. Das heimische Bücherregal wurde fotografiert und auf eine Leinwand aufgebracht, die nun hinter zwei weißen Sesseln steht, die seit Wochen in Sachsen-Anhalt auftauchen. „Ich will den direkten Kontakt mit dem Wähler“, sagt Lemke. „Wahlkampf ist Hochzeit für die Politik, denn die Menschen nehmen sich viel mehr Zeit dafür als sonst.“

"Als Bundesgeschäftsführerin ist man 24 Stunden stand-by"

Seit elf Jahren ist Lemke Bundesgeschäftsführerin von Bündnis 90/Grüne. Nur CDU-Mann Heiner Geißler hat sich länger in solch einer Position gehalten. Doch nach Berlin ist die 45-Jährige nicht gezogen. „Ich könnte nie ganz in einer Großstadt leben“, begründet die Politikerin die Pendelei. Hier ist die Familie. Hier sind die Freunde. Hier sind Elbe und Mulde - und damit die Möglichkeit, mit dem Paddelboot loszufahren und abzuschalten. Es ist der Ausgleich zu einem Politikbetrieb, der an Tempo und Härte zugenommen hat.

Lemke sieht das kritisch. „Man muss Dinge immer schneller beurteilen.“ Das sei nicht mehr steigerbar. „Zumal darunter die Möglichkeit leidet, Politik zu vermitteln.“ Zu ändern ist es nicht. „Als Bundesgeschäftsführerin ist man 24 Stunden stand-by. Aber ich mag das Tempo.“ Bei Twitter ist das zu verfolgen. Lemke hat dort 8 500 Follower. Wer ihr folgt, ist dabei beim Wahlkampf, erfährt aber auch mal etwas über Schalke 04.

Bündnis 90/Grüne haben es in Sachsen-Anhalt nie einfach gehabt. „Das Land war vom nicht erfüllten Versprechen der blühenden Landschaften am meisten betroffen“, sagt Lemke. Und: „Sachsen-Anhalt wirbt noch immer nicht mit seinen Stärken wie den Erneuerbaren Energien. Das hat mit der Regierung Haseloff zu tun.“ Dass die CDU in Umfragen trotzdem vorn liegt? „Es ist frappierend, was Frau Merkel alles übertünchen kann.“

"Das ist demokratiezersetzend"

Gerechtigkeit, Energiewende, Verbraucherschutz. Das sind Lemkes Themen. „Gerade in Sachsen-Anhalt.“ Dort setze das Land auf eine „bekloppte“ Frühaufsteher-Kampagne anstatt auf die eigenen Schätze. Dort solle an Hochschulen und Theatern gespart werden - und die Verantwortungsträger verweigern eine öffentliche Debatte dazu. „Das ist demokratiezersetzend.“

Lemke will diskutieren - über die Zukunft von Sachsen-Anhalt. „Die Probleme dürfen nicht die Chancen verstellen“, sagt Lemke und sieht in Luther 2017 und Bauhaus 2019 die größten Chancen für die Region, auf sich aufmerksam zu machen. Über Berlin hinaus. Dort wird sie manchmal belächelt für ihren Einsatz für die Region, der dazu führte, dass die bündnisgrüne Bundestagsfraktion lange in Wörlitz in Klausur ging. „Den Ruf, ein Lokalpatriot zu sein, muss man sich erarbeiten“, sagt Lemke - und kann mit diesem Ruf gut leben.