Boom der Kleingärten Boom der Kleingärten in Dessau-Roßlau: Immer mehr frisch gebackene Gartenbesitzer dank Corona
Dessau - Seit einem Monat haben Nicole Hintze, Deniz und Johann einen Garten. „Wegen Corona“, sagt der 12-jährige Deniz, seien sie auf die Idee gekommen. „Man konnte ja nichts machen und im Garten können wir draußen sein und auch einen Pool zur Erfrischung aufstellen.“
Die Idee habe es schon länger gegeben, korrigiert Eveline Hintze, die Oma der beiden Jungen. Ihre Tochter wollte mit ihren Jungs mehr in die Natur, ihnen zeigen, wie das Obst und Gemüse wächst. „Und dass es Mühe macht, bis man es ernten kann.“ Corona sei der Auslöser gewesen, den Plan anzugehen, erzählt die Mutter von Nicole Hintze.
Gemeinsam mit Ehemann Manfred unterstützt sie die Tochter dabei, den Garten urbar zu machen. Nicole Hintze arbeitet als Altenpflegerin in Schichten. „Ihre Zeit ist also sehr begrenzt, das schafft sie gar nicht allein“, ist es für Eveline und Manfred Hintze keine Frage, dass sie helfen.
Familie Hintze ist nicht der einzige „Corona-Pächter“ in diesen Wochen
Seitdem die kleine Familie Pächter des Gartens in der Kleingartenanlage „Freundschaft“ ist, hat sich schon viel getan auf der etwa 320 Quadratmeter großen Parzelle. Vereinsvorsitzender Joachim Ullrich, der gleichzeitig Vorsitzender des Stadtverbandes der Gartenfreunde ist, freut sich über die neuen Mitstreiter. „Es ist beeindruckend, was sie in den vier Wochen geschafft haben, es war ja alles verwildert und zugewachsen“, lobt er. Jetzt stehen schon die ersten zarten Pflanzen - Erdbeeren, Möhren, Radieschen, Salat, Kartoffeln - in Reih und Glied.
Familie Hintze ist nicht der einzige „Corona-Pächter“ in diesen Wochen. „Von März bis Mai hatten wir eine verstärkte Nachfrage. In allen Vereinen war viel Bewegung“, berichtet Ullrich. Sowohl junge Familien als auch Ältere hätten Interesse gezeigt. Dies sei landesweit zu beobachten gewesen, weiß Joachim Ullrich aus seiner Tätigkeit im Präsidium des Landesverbandes der Gartenfreunde.
Rund 200 Gärten, so schätzt er, seien in Dessau neu verpachtet worden. Mit Lockerung der Reisebestimmungen sei das Interesse aber wieder abgeebbt. Etwa 900 Gärten standen zum Jahresbeginn leer in den der Stadt. Ob Corona maßgeblich zum Abbau des Leerstands beiträgt, sei eine spannende Frage. „Aber die Antwort kennen wir erst zum Jahresende“, so Ullrich.
Das Vereinsleben des Stadtverbandes indes wurde von der Coronapandemie hart getroffen
In seinem Verein liege die Neuverpachtung im Durchschnitt der anderen Jahre, sagt er. Acht Gärten haben in 2020 in der Gartenanlage „Freundschaft“ einen neuen Pächter gefunden. Nun hofft er, dass die Gartenbegeisterung von Dauer ist und nicht mit der Coronakrise endet. Das Durchhaltevermögen junger Pächter ist erfahrungsgemäß nicht sonderlich groß. „Nur 20 Prozent halten länger als drei Jahre durch“, weiß Ullrich.
Bei Familie Hintze könnte es dauerhafte Leidenschaft werden. Denn nicht nur der vierjährige Johann fühlt sich im neuen Garten pudelwohl und hilft emsig. Auch Deniz findet es gut, dass „wir jetzt einen Garten haben.“ „Gartenarbeit ist zwar ganz schön anstrengend, aber es macht auch irgendwie Spaß.“ Seine Oma zollt ihm Anerkennung. „Er war sehr fleißig und hat toll mit angepackt.“ Nun freuen sich alle auf den Pool, der in den nächsten Tagen aufgestellt werden soll. Der Platz dafür ist schon vorbereitet.
Das Vereinsleben des Stadtverbandes indes wurde von der Coronapandemie hart getroffen. Die geplante 100-Jahre-Feier musste ausfallen. Auch die Gartenbegehungen fanden in diesem Jahr nicht statt, so dass es in 2020 auch keinen OB-Pokal für die schönste Anlage geben wird. Und auch keinen Kleingärtnerball. „Den holen wir im nächsten Jahr nach, dann in etwas größerem Rahmen“, kündigt Ullrich an. (mz)