1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Dessau-Roßlau
  6. >
  7. Blick für die Betriebe nicht verlieren

Blick für die Betriebe nicht verlieren

Von Sylke Kaufhold 27.02.2008, 19:34

Dessau/MZ. - Die Geschäftsführerin der SAGA Dessau GmbH ist für ihre deutlichen Worte bekannt. Diese fand sie auch am Dienstag im Ratskeller beim 7. Dessauer Wirtschaftsgespräch des Kreisverbandes von Bündnis90 / Die Grünen.

Vertieft werden sollte in dieser Gesprächsrunde die derzeit aktuelle Diskussion um die Berufung eines Wirtschaftsdezernenten für die Doppelstadt. Die Erwartungen an ihn sind hoch. Ansiedlungen gelingen nur mit einer solchen Person, sagen die einen, darunter Vertreter Dessauer Wirtschaftsverbände. "Dessen Position wird überschätzt", meint hingegen Grünen-Stadtrat Ralf-Peter Weber. Auch Regina Gröger warnt vor überzogenen Erwartungen und betont: "Verantwortlich ist der OB." Ein Dezernent ("oder wie der dann auch immer heißt") sei dennoch notwendig, um die "Tagesarbeit" zu erledigen, um Weichen zu stellen, zu analysieren, Kontakte zu knüpfen. "Ich habe bisher nicht das Gefühl, dass man sich in der Stadt engagiert, um Investoren zu gewinnen." Andreas Boehringer bestätigt dies: "Die Wirtschaft braucht einen Ansprechpartner mit Kompetenz in der Stadt und der fehlt."

Wirtschaftspolitik, betont die Unternehmerin, müsse in der Lokalpolitik an erster Stelle stehen. "Und das tut es in Dessau nicht." Freilich würden die großen Rahmenbedingungen von der Bundespolitik vorgegeben, "hier habe ich zunehmend das Gefühl, die wissen nicht, was sie da entscheiden", so Regina Gröger. "Deshalb ist es umso wichtiger, auf Kommunalebene den Blick für die Unternehmen nicht zu verlieren und ihnen nicht noch zusätzlich Hürden zu bauen."

Stichwort Hebesätze: Mit 450 liegt Dessau hierbei deutschlandweit an der Spitze. Selbst Städte wie Berlin (410), Kassel (440) oder Bremen (340) liegen darunter. "Daran haben die mittelständischen Unternehmen zu knabbern", übt sie heftige Kritik an dieser kommunalpolitischen Entscheidung.

Die Bündnisgrünen erlebten eine Lehrstunde in Sachen deutscher Wirtschaftspolitik. Eindrucksvoll und in der ihr eigenen direkten und offenen Art zeigte Gröger am Beispiel ihres Unternehmens, welche zum Teil dramatischen Folgen die Gesetzgebung für den Mittelstand hat. Ein Beispiel: Seit diesem Jahr werden Mieten, Pacht und Leasingraten aus den Kosten raus- und auf die Gewerbesteuer angerechnet. "Das ist der helle Wahnsinn", kommentiert sie diese Regelung, "und dafür sind die Hebesätze einer Stadt wichtig".

Das Nichtraucherschutzgesetz wird noch viele Opfer fordern, ist sich die SAGA-Chefin sicher. In den Bundesländern, wo es schon seit vorigem Jahr gilt, beklagt die Branche rund 50 Prozent Umsatzeinbuße. Nach den ersten beiden rauchfreien Monaten in den Dessauer Betrieben melden diese etwa 20 Prozent weniger Umsatz (bis Juni läuft die kontrollfreie Probephase in Sachsen-Anhalt). "Und jetzt diskutieren die in Brüssel auch ein Alkoholverbot, was soll das?!"

Kündigungsschutz und Mindestlohn nennt Regina Gröger als weitere Beispiele von Gesetzen, die in mittelständischen Unternehmen nicht umzusetzen sind. "Die Gesetze beziehen sich auf große Konzerne, der Mittelstand braucht aber andere und wird nicht gefragt."

Zurück in die Doppelstadt: Dieser fehlt ein Wirtschaftskonzept, das Entwicklungsmöglichkeiten aufzeigt und Schwerpunkte setzt. Darin bestand Einigkeit. "In der Stadt des Umweltbundesamtes ist die Umwelttechnik die Zukunft", meinte etwa Thomas Busch. "Ein qualitativ hochwertiges Wirtschaftskonzept kann Ansiedlungen schaffen", ist Christoph Erdmenger überzeugt.

Eng damit verknüpft ist ein Leitbild für die Stadt. Auch dieses fehlt. Die Diskussion darum habe im politischen Raum begonnen und wird mit breiter Beteiligung geführt werden, informiert Ralf-Peter Weber. Wie ein solches Leitbild aussehen könnte? "Es muss zeitgemäß sein und darf nicht nur in die Vergangenheit schauen", meinten Busch und Gröger.

Auch das Erscheinungsbild der Stadt sei ein wichtiger Entscheidungsfaktor für oder wider Ansiedlungen, macht Alexander Boehringer aufmerksam. Hier sieht er insbesondere in der Stadteinfahrt Dessau-Süd großen Nachholbedarf. "Die schreckt einfach nur ab."

"Schade, dass nicht auch Stadträte anderer Fraktionen den Weg hierher gefunden haben", bedauerte Thomas Busch. "Das Thema wäre es wert gewesen."