An Fassade schwingt Musik
Dessau/MZ. - Durchaus intensiv und dennoch zurückhaltend in den Farbtopf gegriffen hat Friedrich Ernst von Garnier, als er den Auftrag übernahm, zwei Wohnblöcke für die Wohnungsgenossenschaft Dessau zu gestalten.
Am Dienstag präsentierte der Vermieter das fertige Werk der Öffentlichkeit. Und Garnier, der als Farbphilosoph und Deutschlands einflussreichster Farbberater gilt, hatte sich unter die Besucher gemischt. "Ich bitte sie herzlich zu sagen, was ihnen nicht gefällt", ermunterte der 72-Jährige die Bewohner.
Wohnhäusern ein farbiges Gesicht zu geben, das hat Garnier nicht zum ersten Mal gemacht. Tristem Grau entrissen hat er Hochhäuser in Berlin und Plattenbauten in Gera. In Dessau, der Bauhaus-Stadt, war das für ihn "eine besondere Herausforderung". Und lobt vor allem die Malerfirmen von Stefan Baier und Karl-Heinz Gebhardt, die sein Konzept umgesetzt und durch eine mehrfarbige Lasurtechnik die ursprüngliche Struktur der Waschbetonoberfläche beibehalten haben. Hervorgehoben durch die neue Farbigkeit wurde auch die ursprüngliche künstlerische Gestaltung des Giebels. "Vor ihrer Leistung habe ich großen Respekt", sagt von Garnier. Kritisch sieht er jedoch die silbernen Abdeckelemente an den Fugen und in den Häuserecken. Auch ein Grün ist viel intensiver, als er das wünschte. Hier sei schlicht die falsche Farbe übermittelt worden.
Doch sonst ist der Farbgestalter zufrieden. "Die Bewohner sollen von Farben nicht überbrüllt werden." Beim Komponieren hat er viele Zwischentöne verwendet - Musik schwingt an der Fassade mit. Was auf Kurt Mutschmann, der seit 1977 im Viertel zu Hause ist, "unruhig zwischen den Fenstern wirkt". Doch sonst findet der Mann, der selbst Musiker ist, "die Farbgestaltung schön".
An Schautafeln konnten die Besucher des kleinen Festes den Werdegang der Farbgestaltung im Innenhof Am Gestänge 2 bis 6 und Am Lustgarten 13 bis 17 nachvollziehen. Und nicht nur dieser, denn die Wohnungsgenossenschaft hat die beiden Wohnblöcke modernisiert. Insgesamt 800 000 Euro flossen in die Sanierung von Fenstern, Treppenhäusern, Kellern, die Gestaltung der Außenanlagen und vielem mehr, wie Vorstandsvorsitzender Hans Tschammer erklärt. "Erstmals haben wir auch die Hauseingänge etwas exquisiter gestaltet", sagt er. Und exquisit sei auch das Konzept der Fassadengestaltung. Durch Architekt Günter Seelbach war der Kontakt zu Friedrich Ernst von Garnier entstanden. Tschammer ist froh darüber, "auch wenn anfangs die Bewohner nicht begeistert waren", wie er weiß. Doch entstanden sei im Viertel etwas, "worauf wir stolz sind".
Drei Ingenieurbüros und 21 Baufirmen haben an der Umsetzung des Projekts mitgewirkt. Für die Bewohner in den 52 Wohnungen konnte die Wohnqualität deutlich verbessert werden. Die zahlen nun zwar mehr Miete. Mit 4,02 Euro pro Quadratmeter liegt das aber immer noch unter der Durchschnittsmiete in Sachsen-Anhalt von 4,20 Euro, so Tschammer. "Und die Nachfrage nach diesem Wohnviertel können wir gar nicht befriedigen."