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Amtsgericht Dessau Amtsgericht Dessau: Juristisches Nachspiel nach Jalloh-Demo

Von Thomas Steinberg 03.12.2013, 22:00
Mouctar Bah wird nach einer Auseinandersetzung mit einem Polizisten von Demonstranten versorgt.
Mouctar Bah wird nach einer Auseinandersetzung mit einem Polizisten von Demonstranten versorgt. Archiv Lizenz

DESSAU/MZ - Die Oury-Jalloh-Demo vom 7. Januar 2012 erfährt ein juristisches Nachspiel. Am kommenden Dienstag muss einer der Organisatoren vor dem Dessauer Amtsgericht erscheinen. Der Vorwurf: Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Körperverletzung.

Der Angeklagte ist kein Unbekannter: Mouctar Bah gehört seit Jahren zu denen, die wissen wollen, wie der Asylbewerber Jalloh im Dessauer Polizeigewahrsam starb. Juristisch ist die Frage bis heute unbeantwortet, ein Urteil liegt gerade wieder dem Bundesgerichtshof zur Begutachtung vor.

„Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte ist als Tatbestand im Paragraf 113 des Strafgesetzbuches aufgeführt und liegt vor, wenn jemand mit Gewalt oder unter Androhung von Gewalt z.B. Polizisten, Gerichtsvollzieher oder Staatsanwälte an der Arbeit zu hindern versucht. Nach einer Gesetzesänderung wurde der Strafrahmen auf bis zu drei Jahre ausgedehnt, außerdem fallen nunmehr z.B. Feuerwehrleute oder Rettungssanitäter unter den Schutz des Paragrafen 113. In schweren Fällen kann die Strafe bis zu fünf Jahre betragen.

Dennoch werden von Polizeigewerkschaften und Teilen der CDU härtere Strafen gefordert. Dabei wird regelmäßig unterschlagen, dass diese nach bestehender Rechtslage möglich sind: Bei einer gleichzeitig verwirklichten gefährlichen Körperverletzung können Freiheitsstrafen von bis zu zehn Jahren verhängt werden.

Bah nun soll vor knapp zwei Jahren während der Jalloh-Demo einen Polizeibeamten gegen das Visier geschlagen und ihm einen Mittelfinger verdreht haben. Einen anderen habe er am Bahnhof mehrfach auf den Arm geschlagen, um ihn daran zu hindern, die Personalien eines Demonstranten aufzunehmen.Das Amtsgericht hatte einen Strafbefehl über eine Gesamtgeldstrafe von 50 Tagessätzen verhängt, den Bah abgelehnt hatte. Damit kommt es zur Verhandlung.

Bei der Jalloh-Demo 2012 sollte alles anders werden als in den Jahren zuvor. Der damals neue Dessauer Polizeipräsident Kurt Schnieber hatte entschieden, den Spruch „Oury Jalloh, das war Mord“ nicht mehr tolerieren zu wollen: Der stelle eine Beleidigung dar und eine Straftat. Nicht nur die Staatsanwaltschaft war und ist anderer Auffassung, dass nämlich der Spruch grundsätzlich von der Meinungsfreiheit gedeckt ist.

Um ihre Auffassung gegenüber den Demonstranten durchzusetzen, ließ die Polizei Hunderte Beamte aufmarschieren und versuchte nach dem Ende der Demo im Bahnhof die angeblich verbotenen Transparente zu beschlagnahmen. Bah geriet dabei mit Polizisten aneinander. Sekunden später lag er am Boden und musste ins Krankenhaus gebracht werden. Innenminister Holger Stahlknecht hielt im Nachgang den Dessauer Einsatz für „nicht hilfreich“. Wenig später wurde Schnieber versetzt.

Einen Tag nach dem Einsatz bestritt Schnieber, mit Problemen bei der Demo gerechnet zu haben, obwohl keinerlei polizeiliche Erfahrung nötig war, um vorauszusehen, dass die Mitglieder und Unterstützer der Jalloh-Initiative das Verbot als Provokation interpretieren würden. Genau das geschah. Schon gegen Mittag war die Stimmung gereizt – auf beiden Seiten. Ansprechpartner bei der Polizei, so sie überhaupt ausfindig zu machen waren, schalteten auf Durchzug oder waren ohne Befugnisse. Deeskalation, eine erfolgserprobte Strategie der Dessauer Polizei, war an diesem Tag nicht gefragt.

Nicht nur insofern stehen die Vorwürfe gegen Bah in einem besonderen Zusammenhang. Mouctar Bah, für seine Zivilcourage mit dem Carl-von-Ossietzky-Preis geehrt, hatte schon in der Vergangenheit Ärger mit der Polizei.

Die hatte 2009 das Telecafé in der Friedrich-Naumann-Straße durchsucht. Es ging um Drogenhandel, der tatsächlich für jedermann sichtbar zwischen Telecafé und Philanthropinum stattfand. Doch die Polizeibeamten durchsuchten gleich das Telecafé mit. Einige der Anwesenden mussten sich entkleiden, es gab hässliche Worte seitens der Polizei. Für den Einsatz musste das Land im Zuge eines gerichtlichen Vergleichs an Bah 650 Euro Entschädigung zahlen.