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Ältester Student der Hochschule Anhalt Ältester Student der Hochschule Anhalt: Ein Marathon auf der Studienbank

Von Carla Hanus 03.04.2001, 17:52

Wittenberg/Dessau/MZ. - Er habe seinen Studentenausweis viel zu wenig genutzt, stellt Norbert Dietzmann fest, als er ihn noch einmal in der Hand hält. Zum 31. März, als das Dokument endgültig abgelaufen ist, resümiert er, dass er während seines Studiums nur sehr selten ermäßigten Eintritt verlangt hat. Zum einen sei es ihm ohnehin nicht darauf angekommen. Zum anderen habe ihm dafür die Zeit gefehlt.

Auf keinen Fall habe er ihn nur so selten genutzt, weil es ihm peinlich gewesen sei, betont er. Gern erinnert er sich dabei an eine Episode bei der Bundesgartenschau. Er war mit seiner Frau und seiner Mutter nach Magdeburg gereist. An der Kasse verlangte Dietzmann drei Tickets, einmal normal, einmal Rentner und einmal Student. Prompt kam die Frage, wer denn das sein solle. Norbert Dietzmann, der damals 55 Jahre zählte, holte seinen Studentenausweis vor. Dieser allein genügte der Kartenverkäuferin aber noch nicht. Dietzmann musste seinen Personalausweis beisteuern, um als Student eingelassen zu werden.

Es sei schon ungewöhnlich, wenn man kurz vor Vollendung des 57. Lebensjahres sein Diplom erhält, räumt Dietzmann ein. Der Wittenberger hat sich trotzdem keineswegs fehl am Platz gefühlt inmitten der Studenten in Dessau. "Ich bin gut aufgenommen worden von den Kommilitonen", blickt er zurück. Wenn er gefehlt habe, hätten sie für Mitschriften gesorgt und auch sonst in Kontakt gestanden. Dabei war er nun wirklich mit Abstand der Älteste und damit eine echte Ausnahme. Etwa zwei Drittel seiner Mitstudenten hätten vom Alter her seine Kinder sein können.

Seine Tochter studiert übrigens tatsächlich ebenfalls an der Hochschule Anhalt. Ab und an haben sie sich in der Hochschule gesehen, manchmal auch die Bücher ausgetauscht oder sich gegenseitig zu Problemen befragt. Die Tochter, die sich für Architektur und Denkmalpflege entschieden hat, und deren Vater, der sich auf den Abschluss als Bau-Ingenieur in der fachlichen Vertiefung konstruktiver Ingenieurbau vorbereitete.

Es ist sein drittes Diplom, das er vor kurzem feierlich überreicht bekam. Sein erstes hatte er nach der Berufsausbildung mit Abitur erworben. Er hatte im Chemiefaserwerk in Premnitz gelernt und gearbeitet. Doch weniger die Faser als viel mehr die Behälter hatten es ihm angetan. Festigkeitsberechnungen von Behältern und dergleichen mehr faszinierten ihn. Als 20-Jähriger entschied er sich für die Ingenieurrichtung Chemieanlagenmontage, studierte in Bernburg. Vier Jahre später nahm er ein Fernstudium auf, diesmal an der Ingenieurhochschule Köthen, in der Fachrichtung Anlagenbau. Mit 32 Jahren hatte er das zweite Diplom in der Tasche.

Auch während seiner Tätigkeit als Konstrukteur im Apparate- und Chemie-Anlagenbau nutzte Dietzmann noch mehrere Möglichkeiten, sich zu qualifizieren. Mal in Sachen Sprachen und mal in Sachen Schweißen. "In den 36 Jahren, die wir zusammen sind, kenne ich ihn nur lernend", sagt auch seine Frau, die ihm dabei immer den Rücken stärkte beziehungsweise frei hielt. Selbst nach der Wende, als der Anlagenkonstrukteur im Osten keine Arbeit mehr fand. "Im Anlagenbau gab es da so gut wie nichts", erinnert er sich. "Da habe ich mir was Neues gesucht."

In den zurück liegenden zehn Jahren war er unter anderem als Betriebsleiter in Nordrhein-Westfalen tätig, hat eine einjährige Ausbildung in der Führung und Organisation in der Bauwirtschaft absolviert, baute seine Wohnung aus in dem Wittenberger Projekt "Wohnen durch Selbsthilfe", bei dem ehemalige Gus-Liegenschaften mit vielen Eigenleistungen in gemütliche Wohnungen "verwandelt" wurden. Als Norbert Dietzmann dann als Bauleiter einen Job fand, gefiel ihm der in dieser Zeit noch boomende Bau so, dass er wieder mit einem Studium liebäugelte.