Als Paar wiedergefunden Als Paar wiedergefunden: Familientherapeutin aus Dessau rettet Silberhochzeit der Müllers

Dessau - Ihre Silberhochzeit feierten Silvia und Tom Müller (* Name geändert) vor zwei Jahren. Als glückliches Paar, wie beide berichten.
Das war nicht immer so. Als Eltern einer behinderten Tochter waren sie vor zehn Jahren in eine tiefe Krise gestürzt. „Es drehte sich alles um das Kind, seinem Wohl ordneten wir jede Entscheidung unter“, blickt Tom zurück.
Und so war es für Silvia logische Konsequenz, mit der Tochter dorthin zu ziehen, wo sie die für sie beste Schulform gefunden hatten. Tom blieb aus beruflichen Gründen in Dessau. „Ich litt wie ein Hund unter dieser Situation, und das Schlimmste dabei, ich sah keinen Ausweg für uns. Ich wusste nur eines, ich wollte meine Familie nicht verlieren.“
„Oft sind Traumata der Grund für gestörte Familien- oder Paarbeziehungen“
In seiner Verzweiflung suchte er professionelle Hilfe - und fand sie bei der systemischen Paar- und Familientherapeutin Angela Jaguste. „Jede Sitzung ging in die Tiefe und hat etwas geklärt für mich“, erinnert sich Tom. Es habe sich angefühlt, als würden sich Knoten lösen. In die Tiefe der Seele des Ratsuchenden zu gehen, ist der methodische Ansatz Angela Jagustes. „Oft sind Traumata der Grund für gestörte Familien- oder Paarbeziehungen“, erklärt die Therapeutin.
Das schlummere oftmals im Unterbewusstsein, werde weder beachtet noch bearbeitet. „Wir haben alle traumatisisierte Kriegseltern und -Großeltern, die ihre eigenen Lebenserfahrungen und -einstellungen mit all ihren Defiziten an ihre Kinder weitergeben. Wird das nicht aufgearbeitet, kann es bis in die 7. Generation erfolgen“, so Angela Jaguste. Deshalb sei die Kopplung von Traumatherapie und Paartherapie ein neuer Ansatz.
Auch Tom Müller hat sich durch die therapeutischen Sitzungen bei Angela Jaguste neu kennengelernt, kann jetzt auch Verhaltensweisen seiner Mutter richtig einordnen und entsprechend damit umgehen. Jaguste nutzt dafür die systemische Familienaufstellung, in der die Rollen der einzelnen Personen im großen System Familie dargestellt werden. „Das hat mir unheimlich geholfen, es war eine Rückbesinnung auf mich und meine Wünsche.“
Nicht das Umkrempeln des Partners sei das Ziel der Paartherapie
Tom wurde aktiv, packte das Problem sozusagen am Kragen, und suchte hier eine Schule für die Tochter. „Mein Mann hatte plötzlich eine ganz andere Ausstrahlung, hatte unheimliche Power“, erinnert sich Silvia Müller. Sie beschlossen, auch als Paar die Hilfe Jagustes in Anspruch zu nehmen. Denn sie standen quasi im Scheideweg und mussten für sich selbst die Frage beantworten, was ist wichtiger, auch für das Kind: Eine intakte Paarbeziehung oder eine gute Schulform? „Eine Fernbeziehung war für uns beide keine Option“, so Silvia.
Anfangs gingen sie in kurzen Abständen zu Angela Jaguste, später wurden die Zeitfenster größer, ging Silvia auch mal allein zur Therapeutin, „um sich Ballast von der Seele zu reden und aufzuarbeiten“, wie sie sagt.
Nicht das Umkrempeln des Partners sei das Ziel der Paartherapie, betont Angela Jaguste. Vielmehr gehe es darum, Verständnis für den anderen zu entwickeln und mit der eigenen Rolle zufrieden zu sein. „Jeder soll sich auf seinem Platz im Familienverbund wohlfühlen.“ Für Silvia ist es jetzt so. „Ich fühle mich wohl mit dem, wie es jetzt ist“, sagt sie. Auch wenn es immer noch so ist, dass sie die Macherin ist, die alles unter Kontrolle hat, „aber ich kann damit jetzt anders umgehen“.
Seit 15 Jahren ist Angela Jaguste als Paar- und Familientherapeutin tätig
Und Tom? Der hat gelernt, Partei zu ergreifen, für sich selbst und seine Familie. Und beide zusammen können sich jetzt austauschen über solche Dinge, ohne dass sich einer angegriffen fühlt.
„Sie hatten sich als Paar verloren“, schätzt Angela Jaguste die damalige Situation der Müllers ein. Dank der systemischen Familienaufstellung erkannten sie, dass die Sorge um ihr Kind unbegründet war. Ihm ging es immer gut. Tom und Silvia haben gelernt, sich neu zu finden.
Seit 15 Jahren ist Angela Jaguste als Paar- und Familientherapeutin tätig. „Ich wollte den Kindern helfen, denn sie sind immer die Leidtragenden, wenn Beziehungen nicht funktionieren“, erzählt sie. Ihre Hilfe suchen viele junge Paare, Anfang 30. „Das finde ich sehr schön.“ „Kritisch“ werde es auch nochmal im „Mittelalter“, wenn die Kinder aus dem Haus sind. „Dann besinnen sich die Paare wieder aufeinander und brauchen mitunter Hilfe dabei.“ (mz)