Albrechtsplatz in Dessau Albrechtsplatz in Dessau: Schreibwarengeschäft in neuer Hand
dessau/MZ - „Jetzt, wo man auf die 70 zugeht, macht man sich schon so seine Gedanken über die Zukunft“, sagt Carola Seele. Die 69-Jährige hat für sich entschieden, diese Zäsur zu nutzen, um endlich mehr Zeit für Hobbys, ihren Garten und Reisen zu haben. Denn bis dato stand Seele fast täglich in ihrem Schreibwarengeschäft am Albrechtsplatz. Zum 1. Januar 2014 hat sie das Zepter an Steffen Lieske übergeben. „Für die Kunden ändert sich fast nichts, außer dem Inhaber“, sagt Seele, die vor 22 Jahren „Wewo-Bürobedarf“ von ihrer Mutter übernommen hatte. Seit 1947 gibt es das Schreibwarengeschäft am Albrechtsplatz. Viele Nachbarn hat es in den 66 Jahren kommen und gehen sehen. Besonders in den letzten Jahren war die Fluktuation von Geschäften in der Zeile zwischen der Ferdinand-von-Schill-Straße und Wolfgangstraße sehr hoch. Auch ein hoher Leerstand prägte lange das Straßenbild.
Doch Seele trotzte mit ihrem Geschäft allen widrigen Umständen und der Konkurrenz im Dessauer Zentrum und auf der grünen Wiese. Einen großen Stammkundenkreis hat sich die Endsechzigerin in den letzten beiden Jahrzehnten aufgebaut. Die Nähe zum Quartier Dessau-Nord, das durch Aufwertungen viele Familien und Senioren anzog, ist ebenso ein Standortvorteil, wie die Parkmöglichkeiten unmittelbar vor dem Geschäft. „Wer hier schnell mal sein Paket abgeben oder abholen oder seinen Tippschein bezahlen möchte, der findet eigentlich immer einen Parkplatz.“ Zudem sieht Seele gerade heute einen verstärkten Beratungsbedarf der Kunden beim Sortiment und die Suche nach Verbindlichkeit statt Anonymität auch bei so alltäglichen Sachen wie dem Zeitungskauf oder Lottospielen.
Deshalb zögerte Steffen Lieske diesmal nicht lange, als er vor drei Monaten mit Seele mal wieder auf das Geschäft zu sprechen kam. Im Groß- und Einzelhandel hat der Dessauer lange Zeit als Angestellter gearbeitet und sich dann vor ein paar Jahren mit Geschäften für Sonderposten in der Dessauer Heidestraße und in Zerbst selbständig gemacht. Seele und Lieske kennen sich seit Jahren. Bereits vor eineinhalb Jahren hatten er und seine Frau Annett die Idee in Betracht gezogen, das Geschäft zu übernehmen, dann aber wieder verworfen. Jetzt fühlen sie sich in ihrer Entscheidung sicher. „Wir glauben an die Zukunft des Fachhandels im Bereich Schreibwaren und Bürobedarf“, sagt Lieske. Zudem hat sich mit dem Einzug neuer Geschäfte in unmittelbarer Nachbarschaft der Leerstand am Albrechtsplatz stark minimiert.
Die Geschäftsübergabe ist ein fließender Prozess. Annett Lieske ging Seele bereits zur Hand und lernte nach und nach das Geschäft und die Kunden kennen. Die bisherige Mitarbeiterin von Seele wird auch beim neuen Inhaber-Ehepaar tätig sein. „Das ist die beste Lösung, die ich mir wünschen konnte“, ist Seele über den nahtlosen Übergang erleichtert. Denn der Rückzug aus dem Geschäftsleben, spätestens zum 70. Lebensjahr stand für sie fest. „So lassen sich eine Entlassung und ein Räumungsverkauf sowie möglicherweise wieder ein langer Leerstand absolut vermeiden.“ Auch wenn seit 1. Januar ganz offiziell neue Besen kehren, soll sich vorerst weder am Namen noch am Sortiment und den Dienstleistungen etwas ändern.
