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Aktionstag im Städtischen Klinikum Aktionstag im Städtischen Klinikum: Eine Lobby für Schwerkranke

Von Sabine Nindelt 24.02.2014, 18:43
Dietmar und Christina Schröter schilderten im Klinikum das Schicksal ihres Sohnes Tobias, der an einer seltenen Krankheit litt.
Dietmar und Christina Schröter schilderten im Klinikum das Schicksal ihres Sohnes Tobias, der an einer seltenen Krankheit litt. Sebastian Lizenz

Dessau/MZ - Mehr als 20 Selbsthilfegruppen, Vereine und Organisationen haben am Sonnabend im Städtischen Klinikum den Aktionstag der seltenen Krankheiten genutzt, um über Erkrankungen wie Mukoviszidose, Morbus Osler oder Neuronale Ceroid‐Lipofuszinose zu informieren.

Es waren weder Ärzte noch Professoren, die die Besucher im Klinikum über seltene Erkrankungen informierten. Vielmehr waren es die Betroffenen selbst oder deren Angehörige, die über Erkrankungen aufklärten, ihre Erfahrungen teilten oder aber Unterstützung anboten. Unter ihnen war auch das Ehepaar Schröter, das seinen Sohn Tobias vor etwas mehr als einem Jahr an eine dieser schrecklichen Krankheiten verlor: Neuronale Ceroid‐Lipofuszinose, kurz: NCL. Bei dieser vererbbaren Stoffwechselerkrankung produziert die Leber aufgrund eines Gendefekts ein bestimmtes Enzym nicht. In der Folge können Giftstoffe nicht abgebaut werden und sie setzen sich mehr und mehr im Gehirn ab. Die Folgen: Erblindung, epileptische Anfälle, motorische Störungen.

„Er konnte plötzlich ganz kleine Dinge nicht mehr sehen“

Diese Krankheit beginnt meist im Kindesalter. Geholfen werden kann den Erkrankten bis heute nicht. Bei Tobias Schröter fing es im Alter von etwa sechs Jahren mit einer leichten Sehschwäche an. „Er konnte plötzlich ganz kleine Dinge nicht mehr sehen“, erinnert sich Vater Dietmar Schröter. Hilflos beobachteten die Eltern, wie ihr Sohn sein Augenlicht verlor. Kein Arzt konnte damals nachvollziehen, was dem Jungen fehlte.

Nach einer Odyssee durch die Krankenhäuser der Bundesrepublik erlitt Tobias im Alter von zehn Jahren einen epileptischen Anfall. Bei einer darauf folgenden Untersuchung wurde eine Zyste in seinem Gehirn festgestellt, die in der Göttinger Uniklinik operiert werden sollte. Ein Wink des Schicksals. Denn hier fanden die Arzte heraus, woran Tobias tatsächlich litt: NCL. „Das war eine Diagnose, die einem die Füße wegzieht“, erzählt Dietmar Schröter. Unterstützung fand die Familie schließlich Mitte der 90er Jahre in der Selbsthilfegruppe „NCL-Gruppe Deutschland“. Hier konnten sich die Eltern endlich auch mit anderen Betroffenen austauschen und bekamen wertvolle Tipps für den Alltag. Für Tobias gab es die Möglichkeit, an Freizeiten teilzunehmen, wo er mit anderen Erkrankten betreut wurde. Solche Angebote stellen für Betroffene Abwechslung im Lebensalltag dar.

So auch für Vanessa. Die 12-Jährige leidet an ebenfalls NCL und hat ihr Augenlicht fast völlig verloren. Doch ihr steht noch mehr bevor. Um zumindest den Abbau ihrer motorischen Fähigkeiten hinaus zu zögern, wünscht sich das hübsche Mädchen nun ein so genanntes Paralleltandem. Doch noch kann es damit nicht auf den Hallenser Petersberg gehen, denn die Kostenübernahme durch die Krankenkasse ist derzeit noch nicht gewährleistet.

„Wir müssen für Betroffene bessere Abläufe finden“

Ein Thema, das Vanessas Mutter am Sonnabend ebenso mit Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff, dem Schirmherrn dieser Veranstaltung besprach, wie auch die Notwenigkeit von Dauerverordnungen. „Wir müssen für Betroffene bessere Abläufe finden“, reagierte Haseloff.

Um die Entbürokratisierung voran zu treiben, will Haseloff Verantwortliche der Kliniken Magdeburg, Halle und Dessau ebenso an einen Tisch holen wie Vertreter der Krankenkassen. Auch der Initiator des Aktionstages und Chef der Dessauer Hautklinik, Professor Christos Zouboulis, hat einen Wunsch für die Zukunft: Vermehrte Forschung nach adäquaten Heilmitteln fernab kommerzorientierter, pharmaindustrieller Interessen und eine besondere Gesetzgebung, die es erlaubt, Medikamente für seltene Erkrankungen schneller bereitstellen zu können. Denn: „Seltene Erkrankungen müssen nicht unheilbar sein“, so Zouboulis.