30 Jahre weg und unvergessen 30 Jahre weg und unvergessen: Mitarbeiter erinnern sich an Flugzeugcafé im Tierpark Dessau

Dessau - Diese Fotos sind wohl legendär: Eine Dame mit Hut und Schal lehnt am Gelän-
der oben auf der Gangway und winkt lächelnd herunter auf die Leute am Boden. Willkommen und/oder Abschied? Die Szenen gleichen sich und finden sich mit einiger Sicherheit in vielen Fotoalben der Dessauer.
„Das Bild kennt jeder“, sagt Marion Schüler und lacht. Nun, 30 Jahre danach, nimmt die Obertierpflegerin vom Dessauer Tierpark noch einmal Aufstellung an dem Platz, wo bis 1988 die einstige Passagiermaschine IL 14 stand. Das Flugzeug war 17 Jahre lang eine Attraktion im Lehrpark für Tier- und Pflanzenkunde.
1988 wurde das Luftschiff, in dessen „Bauch“ Gäste im Flugzeugcafé bewirtet wurden, demontiert und verschrottet. Auf dem Areal vor dem Hasen- und früherem Frettchen-Gehege wurde der bis heute beliebte Tierpark-Spielplatz angesiedelt.
Kurz vor Silvester 1971 wurde das Flugzeugcafé im Tierpark eröffnet
Das Flugzeug im Tierpark von 1971 bis 1988 widerspiegelt ebenso ein Stück Zeitgeist wie auch Stadtporträt. Mit dem Lehrpark für Tier- und Pflanzenkunde war vor 60 Jahren 1958 ein „Wunschkind“ geboren worden, das die Dessauer von Beginn an im Herzen trugen. Gut zehn Jahre später hatten sich mit den Lebensumständen auch die -ansprüche verbessert und gesteigert. Und die Bürger wollten bei einem Besuch in ihrem Tierpark nicht mehr auf gastronomische Versorgung verzichten.
Der vielseitige Wunsch aus der Bevölkerung kam 1971 vor die Stadtverordnetenversammlung und die beschloss, am beliebten Ausflugsziel auch gastronomisch nachzuziehen. Die damalige Langzeit-Oberbürgermeisterin Thea Hauschild (von 1963 bis 1984 im Amt) zog Strippen zu Partei und Regierung. Und schaffte es, ein von der staatlichen DDR-Fluggesellschaft Interflug ausrangiertes Passagierflugzeug vom Typ Iljuschin 14 nach Dessau umzulotsen.
Dann gingen viele Dessauer Betriebe daran, das Luftschiff für die Nachnutzung am Boden aufzumöbeln - kurz vor Silvester 1971 wurde das Flugzeugcafé im Tierpark eröffnet. Den Tierpark leitete damals noch Ernst Politz, dessen Rolle im Folgejahr Eberhard Böhm übernahm. Diese Namen wiederum kennt Marion Schüler nur noch aus der Tierpark-Chronik.
Die IL 14 stand ganz nah an der Tierparkverwaltung und wurde schnell zum Pausenort für die Mitarbeiter
Als sie 1980 zum ersten Mal als „Ferienschüler“ in die Tierparkanlagen kam, führte Bodo Teichmann das Regiment. Und das Flugzeugcafé war längst im Dienst unter der Ägide der damaligen HO. Die drei Wochen Ferienschule haben Schülers Berufs- und Lebensweg geprägt. „Ich kam nicht mehr weg. Und wollte das auch gar nicht.“ Der Ausbildung zur Zootierpflegerin folgte die Tierpflege und -hege in sämtlichen Revieren.
Die IL 14 aber stand ganz nah an der Tierparkverwaltung. Und sie wurde zum bevorzugten Pausenort für die Mitarbeiter. „Der offizielle Pausenraum im Verwaltungsgebäude war nicht gerade einladend. Da haben wir uns lieber draußen gesammelt“, erinnert sich die Obertierpflegerin an die Frühstücks- und Mittagspausen.
Ob das Wetter trocken oder nass war - das Flugzeugcafé bot immer Alternativen. War das Wetter schön, lief die Pause direkt unter den Flugzeugflügeln auf dem Café-Freisitz. An die dort aufgestellten Sessel hat auch Astrid Buhro beste Erinnerungen. Vom Zuschnitt her Korbsessel, waren die Plätze mit Plaste-Wäscheleinen bespannt. „Und da konnte man sich richtig schön reinlümmeln“, so Buhro.
Das Passagierflugzeug war ursprünglich für 28 Personen eingerichtet
Bei kaltem oder regnerischem Wetter kletterten die Tierpfleger hoch und hinein ins Flugzeug. Was spannend klingt, war vor allem eins: eng. Als Passagierflugzeug war der Mittelstreckenflieger für 28 Passagiere bequem, eingerichtet. Für den Cafébetrieb aber waren zu den 25 Sitzplätzen noch Tischchen eingebaut worden. An Stelle der Sessel traten Sitzbänke. „Auf denen aber hatte neben einem Erwachsenen maximal noch ein Kind Platz“, spricht Schüler von ziemlicher Enge.
Im Heck der Passierkabine trennte ein Vorhang noch eine „kleines Kabuff“ ab, wo die Bedienung Kaffee und Tee kochte oder den Kuchen aufschnitt. „Der war auf jeden Fall wahnsinnig süß“, gesteht Marion Schüler, damals eben auch „wahnsinnig gern“ Kuchen verputzt zu haben.
Geöffnet war das Flugzeugcafé täglich. Als ab 1975 die Gaststätte Waldschänke in der Nachbarschaft öffnete, hatte die gastronomische Versorgung in Tierpark und Georgengarten dann zwei Standbeine. Da die Gaststätte damals aber am Montag und Dienstag Ruhetage hatte, war zum Wochenanfang die „Iljuschin“ der einzige Versorgungsstützpunkt im Tierpark.
Cafébetrieb lief ab Mitte der 80er Jahre allmählich aus
Der Cafébetrieb aber lief ab Mitte der 80er Jahre allmählich aus, reduzierte sich zuletzt auf die Notbetreuung an den Ruhetagen der „Waldschänke“. Ab 1986 stand das Flugzeug dann leer. Im Frühjahr 1988 dann gingen Katastrophenschutz und Feuerwehr an die Verschrottung.
Die Erinnerung an den Publikumsmagneten aber ist noch da. Wenn heute Omas und Opas mit den Enkeln in den Tierpark kommen, hören die Tierparkmitarbeiter nicht selten: „Als ich das letzten Mal hier war, stand da noch das Flugzeug.“ „Das ist aber ganz schön lang her“, meint Marion Schüler lächelnd. Mit dem Spielplatz gibt es inzwischen einen neuen Magneten. Auf dessen erstem Spielgerät von 1991, dem großen Bagger, könnten mittlerweile fast zwei Generationen begeistert gespielt haben. (mz)

