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102. Geburtstag 102. Geburtstag: Ein Jahrhundert und mehr

Von Thomas Altmann 28.12.2003, 18:10

Roßlau/MZ. - Summa summarum macht das ein Kaiserreich, zwei Republiken, zwei Weltkriege, zwei Länder, Naziherrschaft und sozialistisches Laboratorium. All das hat Maria Künzl durchlebt. Addieren aber läßt sich ein Leben nicht.

Heute, an diesem Sonntag zwischen Weihnachten und Neujahr, ist jedenfalls Geburtstag, der 102. So trifft sich eine kleine Schar offizieller Gratulanten in der Wohnung der ältesten Bürgerin der Stadt Roßlau. Blumen werden überreicht. Dann sitzt Maria Künzl auf

ihrem Sessel. Der Fotograf misst Licht. Monika Brüsehaber von der Geschäftsstelle Dessau / Roßlau der "VolksSolidarität 92" korrigiert liebevoll die Haare der Jubilarin. Roßlaus Bürgermeister Klemens Koschig überreicht ihr zum zweiten Mal den Blumenstrauß. Sohn Werner ruft die Anweisungen des Fotografen: "Lächeln". Helga Rüdiger lächelt gerührt, und Maria Künzl lacht. Das Blitzlicht zuckt. Dann wird angestoßen.

Der Sekt schmeckt ihr nicht. Lieber einen Eierlikör. Die alte Dame erscheint noch immer voller Energie. Nur das Hörgerät hat so seine Tücken. Schade. Denn eigentlich gäbe es viel zu erzählen. Am 28. 12. 1901 in der Nähe von Wien geboren, hat Maria Künzl viel zu früh ihre Mutter verloren. Mit zehn Jahren wurde sie nach Weiterndorf zu einem Bauern ohne Frau und Kind geschickt. Sechs Häuser gab es da. Die Mutter des Bauern versorgte den Haushalt. Maria arbeitete auf dem Feld. 1928 bestieg sie zusammen mit einer Freundin einen Zug, der Fremdarbeiter nach Deutschland brachte.

In Wurzen fand sie wieder bei einem Bauern Anstellung und lernte ihren späteren Mann kennen. 1934 wurde Sohn Werner geboren. Ein Jahr später zog die junge Familie nach Roßlau, wo eine Schwägerin lebte. Ihr Mann fiel im Krieg. Gearbeitet hat Maria Künzl im Hydrierwerk Rodleben. Heute lebt sie mit ihrem Sohn zusammen. Im vorigen Jahr hatte sie das Geburtstagsessen noch selbst bereitet.

Etwas schmaler sei das zu leistende Arbeitspensum im Haushalt geworden. "Ist nicht so einfach", sagte Maria Künzl zuvor. Aber sie kocht und bäckt zuweilen noch immer. Eine Spülmaschine, so Werner Künzl, sei angeschafft worden. Irgendwann klingelt das Telefon. Gratulanten. Sie geht in den Flur. Später verabschiedet man sich. Also dann: Alles Gute!