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Wo ist Ellen B.? Wolfen-Nord: Wo ist Ellen B.?: 17-Jährige seit zwei Wochen spurlos verschwunden

Von Frank Czerwonn 19.05.2016, 17:59
Im Zimmer der vermissten Ellen beraten ihre Schwester Jana sowie die Eltern (v.l.) die nächsten Schritte ihrer Suche.
Im Zimmer der vermissten Ellen beraten ihre Schwester Jana sowie die Eltern (v.l.) die nächsten Schritte ihrer Suche. André Kehrer

Wolfen - Es ist ein typisches Mädchenzimmer: Die Wände in Weiß-Pink mit Schmetterlingen, ein Bett, ein Schreibtisch, Souvenirs im Regal, sogar ein Fernseher steht da. Alles wirkt fröhlich und aufgeräumt. Doch wenn Marion Bauerschmidt das Zimmer betritt, kommen ihr die Tränen. Alles dort erinnert sie an ihre Tochter Ellen.

Doch das Mädchen ist spurlos verschwunden. Seit 16 Tagen gibt es von der 17-Jährigen aus Wolfen-Nord kein einziges Lebenszeichen. „Ich befürchte das Schlimmste“, sagt die Mutter, während ihr Mann Ralf sie in den Arm nimmt. Trotz aller Such-Aktionen und dem Zuspruch von Freunden und sogar Unbekannten fühlt sich die Familie hilflos und im Schmerz allein.

Mittwoch vor Himmelfahrt zum letzten Mal gesehen

Am Mittwoch vor Himmelfahrt haben sie Ellen zum letzten Mal gesehen. Es war ein normaler Tag. Bevor sie scheinbar zur Berufsschule nach Bitterfeld aufbrach, bat die 17-Jährige ihre Mutter, eine Telefonkarte mitzubringen. „Wir haben uns dann kurz nach halb eins gesehen“, erzählt Marion B., die bei einer Apotheke arbeitet. Die Karte bringe sie ihr am Abend mit, habe sie Ellen gesagt. Die antwortete: „Dankeschön, tschüss.“ Das waren die letzten Worte, die die Mutter von ihr hörte.

Den Nachmittag verbrachte Ellen mit ihrem Freund. Seit Dezember sind die beiden zusammen. Wie so oft saßen sie auf den Bänken neben einem Möbelmarkt, etwa dreihundert Meter von der Wohnung entfernt, in der Ellen mit fünf Schwestern aufgewachsen ist. Aus dem Wohnzimmerfenster hat man freie Sicht darauf. „16.30 Uhr sah ich sie dort“, sagt Vater Ralf. Kurz nach 19.30 Uhr soll Ellen laut dem Freund nach Hause gegangen sein. Doch sie kam nie an.

Umstände machen ihnen Angst

Die Eltern machten sich Sorgen, schickten ihrer Tochter eine SMS, die sie nie las, riefen beim Freund an, der sagte, Ellen sei nicht bei ihm, und gingen schließlich zur Polizei. Vor allem die Umstände machen ihnen Angst. „Unsere Tochter ist noch nie weggelaufen“, sagt die Mutter. Ein geplantes Ausreißen kann sie sich nicht vorstellen: „Ellen hat doch nichts mitgenommen; keine Sachen, kein Geld, nicht mal eine Zahnbürste.“ Und sie glaubt: „Zumindest an meinem Geburtstag letzte Woche hätte sie sich gemeldet.“ Doch das Handy von Ellen ist längst abgeschaltet.

Aber hat sich vorher nichts angedeutet? Gab es keine Probleme? „Doch, es gab schon Auseinandersetzungen“, sagen die Eltern. Die hätten mit dem Freund zusammengehangen. Der tue ihr nicht gut. „Seit sie ihn kennt, hat sich Ellen zum Negativen verändert“, findet ihre Mutter. „Früher war sie lieb, hatte immer ein Lächeln im Gesicht.“ Nun sei sie oft aggressiv, habe per Krankenschein wochenlang die Schule geschwänzt, wo sie eine Ausbildung in der Kinderpflege mache.

Schwester spricht von Veränderungen

Auch ihre 24-jährige Schwester Jana, die in Löberitz lebt, erlebte die Veränderungen. „Früher war Ellen ruhig und schüchtern. Ich habe sie kaum wiedererkannt.“ Freunde ihrer Schwester hätten gemeint, ihr gehe es mit dem Freund nicht so gut. „Ich wollte mit ihr reden. Aber sie ließ niemanden an sich ran.“ Gegen die Eltern soll der Freund beleidigend und auch handgreiflich geworden sein. „Wir ließen ihn nicht mehr in die Wohnung“, sagt der Vater. Aber seiner Tochter, die im Juni 18 Jahre alt wird, könne er ja den Umgang nicht verbieten. „Wir haben unsere Töchter immer unterstützt“, sagt der frühere Schulelternratschef. Der Freund sei wenige Tage nach Ellen auch verschwunden. Eine Nachbarin will ihn mit einem Koffer gesehen haben. Sein Handy sei abgestellt.

In ihrer Not haben die Eltern bei Facebook einen Aufruf gestartet. „Unglaublich viele Menschen melden sich bei uns, teilen den Eintrag, machen uns Mut“, sagt Ralf B. So mancher glaube, die Vermisste gesehen zu haben - in Bitterfeld, Delitzsch, Dessau. „Wir sind oft sofort losgefahren. Haben auch wiederholt verschiedene Stellen abgefahren - vergebens.“

Wittenberger Netzwerk unterstützt Eltern

Hilfe kommt auch von Christian Geers. Der 29-jährige Wittenberger betreibt das Netzwerk „Die Vermisstensuche“. Er hat mit den Eltern Handzettel erstellt, in Geschäften ausgehängt, eine Vermisstenanzeige auf die Homepage der Initiative gestellt. Auch die Polizei, von der sich die Eltern aber mehr erhofft hatten, sucht Ellen. „Wir haben mehrfach versucht, ihr Handy zu orten, mit Freunden und Bekannten gesprochen, waren in der Berufsschule und haben eine bundesweite Fahndung laufen“, so Michael Däumich vom Polizeirevier Anhalt-Bitterfeld. Wenn die Eltern das wollen, sei auch eine öffentliche Fahndung mit Foto möglich. Die Polizei habe keine Anzeichen, dass ein Verbrechen vorliege.

Bei den Eltern aber wächst von Tag zu Tag die Angst. „Die Ungewissheit ist furchtbar. Nachts liegt man wach und grübelt“, sagt der Vater. Ablenken funktioniere nicht. „Wir wollen nur wissen: Geht es unserer Tochter gut?“ (mz)