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Umbauplan für Stadtkirche Umbauplan für Bitterfelder Stadtkirche: Gemeindeleben soll in Gotteshaus ziehen - Orgel muss weichen

Von Frank Czerwonn 17.10.2020, 10:00
Johannes Toaspern zeigt in der Stadtkirche, bis wohin die Empore künftig vorgezogen und zu Nutzräumen umgestaltet werden könnte.
Johannes Toaspern zeigt in der Stadtkirche, bis wohin die Empore künftig vorgezogen und zu Nutzräumen umgestaltet werden könnte. André Kehrer

Bitterfeld - Gottesdienste, Konfirmandenunterricht, Konzerte, Gemeindetreffen, Ausstellungen, Lesungen, Büros - all das soll in wenigen Jahren in der Bitterfelder Stadtkirche Platz finden. Denn die Protestanten wollen ihr gesamtes Gemeindeleben in dem Gotteshaus konzentrieren.

Die Kirche soll zum Gemeinde- und Kulturzentrum werden. Das funktioniert allerdings nur, wenn der Innenraum aufwendig umgebaut wird. Erste Ideen dafür liegen bereits vor. Doch nun müssen Fördermittel fließen, damit daraus eine architektonische Studie wird, auf deren Grundlage der Umbau in den nächsten Jahren umgesetzt werden kann.

Ganz überraschend kommt das Vorhaben nicht. Bei den Überlegungen zur weiteren Sanierung der Stadtkirche, vor allem im Inneren, stellte sich die Gemeinde und der bisherige Pfarrer Johannes Toaspern schon vor Jahren die Frage: Wie sehen unsere künftigen Bedürfnisse aus? Was brauchen wir in 30 Jahren?

Gemeinde will Abschied vom längst überdimensionierten Lutherhaus nehmen

„2050 werden wir eher eine sehr kleine Gruppe sein“, schildert Toaspern das Ergebnis des Nachdenkens. „Können wir uns dann noch alle Gebäude leisten?“ Statt wie manch andere Gemeinde die Augen zu verschließen und über Wandfarbe zu reden, entwickelte man in Bitterfeld lieber realistische Zukunftsszenarien. Die sehen nun den Abschied vom längst überdimensionierten Lutherhaus und die Konzentration aller Aktivitäten in der Stadtkirche vor. „Solch einen Beschluss hatte die Gemeinde übrigens schon 1988 gefasst. Durch die Wende wurde der aber aufgegeben und das Lutherhaus saniert.“

Bei einer Klausurtagung fand man vor zwei Jahren für das Vorhaben das Bild der Arche: „Ein Raum, wo alle Zuflucht finden, die es möchten und brauchen, statt einen Raum für eine kleine Elitegruppe“, fasst Toaspern das neue Kirchenkonzept zusammen. Und das weitet den Blick in die Stadtgesellschaft. Schließlich, so Toaspern, sei die Kirche ein zentraler Standort auf dem Weg vom Bahnhof zur Goitzsche. „Und ein stadtprägendes Gebäude muss auch prägend tätig sein.“

Auch die Stadt habe das Bedürfnis nach einem größeren Raum für Veranstaltungen deutlich gemacht

Den Begriff „Gemeinde- und Kulturzentrum für Bitterfeld-Wolfen“ hat man dafür gefunden. Auch die Stadt habe das Bedürfnis nach einem größeren Raum für Veranstaltungen deutlich gemacht, da der Rathaussaal arg begrenzt sei. Doch wie bekommt man beides unter ein Dach?

Um die Möglichkeiten auszuloten, bat man vier Architekturbüros um Ideenskizzen, drei gingen ein. „Eine sah einen Einbau im Hauptraum wie eine extra Kirche vor, eine andere Einbauten in der Empore mit schrägem Glasdach“, so der Pfarrer i.R.. Doch durchgesetzt hat sich die Variante, den Kirchenraum zu verkleinern.

Die Orgelempore dazu soll bis zum ersten Pfeiler vorgezogen werden. Dadurch entsteht oben ein großer Doppelraum, der multifunktional genutzt werden kann - als Winterkirche ebenso wie als Konzertraum. Abgetrennt wird er auf ganzer Breite durch eine Glaswand.

„Brauchen wir die Orgel, um viermal im Jahr vor 40 Leuten zu spielen?“

Zudem soll ein beidseitiger Zugang zum heutigen Orgelbereich entstehen. Einziger Wermutstropfen: Dafür muss die Orgel raus. „Wir müssen uns entscheiden: Brauchen wir die Orgel, um viermal im Jahr vor 40 Leuten zu spielen oder brauchen wir einen Raum zum leben?“, sagt Toaspern. Man könne die Orgel verkaufen und vom Erlös eine kleinere im Altarraum platzieren.

Die Seitenemporen werden bis auf Höhe der ersten Säulen nicht angegangen. Aber unter ihnen könnten im Erdgeschoss Funktionsräume wie Büros und WCs entstehen. „Das haben andere Kirchen schon vorgemacht.“

All das bleibt ein Luftschloss, solange keine architektonische Studie gemacht wird

Doch all das bleibt ein Luftschloss, solange keine architektonische Studie gemacht wird, an deren Ende das konkrete Projekt steht. Zwei Mal sind die Förderanträge der Kirchengemeinde abgelehnt worden. Der dritte An-lauf könnte Erfolg haben. Denn der Wettbewerb des Netzwerkes Stadt-Land beim Landwirtschaftsministerium fördert die lokale Entwicklung in ländlichen Gebieten.

„Dort haben wir es ins Hauptantragsverfahren geschafft“, sagt Toaspern. 120.000 Euro kostet die Studie, beantragt wurden 100.000 Euro. Die Entscheidung erwarte man jeden Tag. Bei einer Ablehnung müssten dies Kirchenkreis, Landeskirche und Gemeinde alleine stemmen. Doch fließt das Geld, könnte die Studie im Frühjahr 2021 fertig sein. Dann wäre ein Umbauende 2024/25 denkbar. „Aber es hängt alles von den Finanzmitteln ab“, sagt Toaspern, der Ende September in den Ruhestand verabschiedet wurde. Die Baukosten dürften mehrere Millionen betragen. Für die Umsetzung ist nun seine Nachfolgerin oder sein Nachfolger zuständig. (mz)

Gespannte Seile verdeutlichen oben die zusätzliche Raumgewinnung.
Gespannte Seile verdeutlichen oben die zusätzliche Raumgewinnung.
André Kehrer
In diese Bereichen unter den Seitenemporen könnten Büros und Toiletten eingebaut werden.
In diese Bereichen unter den Seitenemporen könnten Büros und Toiletten eingebaut werden.
André Kehrer